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Joël Dicker

Wenn der Schweizer Schriftsteller Joël Dicker (Jahrgang 1985) in seinem Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ über das Wunderkind der amerikanischen Literatur, Marcus Goldman, schreibt, dann könnte man fast glauben, er spräche von sich selbst. Und tatsächlich ist es eine der großen Leistungen des Buches, dass es sich am Ende selbst einholt und zur Realität wird. Auf der letzten Seite wird dem Leser noch einmal der Boden unter den Füßen weggezogen und er blickt mit ganz neuen Augen auf das Buch herunter, dass sich mit jenem letzten Genie-Streich als wahrhaft großes Werk entpuppt. Meisterhaft kreiert es Illusionen und lässt sie dann wieder zusammenbrechen. Marcus Goldman selbst wird auf der letzten Seite von einer anderen Figur als „Genie“ bezeichnet. Mit seinem Finale zieht Joël Dicker mit ihm gleich. Wie viel Dicker steckt in Goldman, fragt man sich dann. Wie viel Wahrheit in „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“? Und so, wie Harry Quebert seinem Schüler Goldman immer wieder einschärft, dass ein Buch erst dadurch gut wird, dass es beim Leser einen bleibenden Eindruck hinterlässt, so versteht es auch Joël Dicker, sich im Gedächtnis des Lesers dauerhaft zu verankern. Es ist dann beinahe eine Erleichterung, die Biografie des Autors zu lesen und zu erkennen, dass Marcus Goldman wahrscheinlich nicht identisch mit Joël Dicker ist. Während Goldman ein amerikanischer Schriftsteller ist, wuchs Dicker als Sohn einer Buchhändlerin und eines Französischlehrers in Genf auf. Beide jedoch taten sich in ihrer Jugend besonders hervor. Goldman erhält an seiner Schule den Beinamen „der Fabelhafte“. Was er anfasst, wird zu Gold. Dabei hat der spätere Autor ein Geheimnis: Er probiert sich nur auf Feldern aus, auf denen die Konkurrenz so schwach ist, dass es nicht schwer ist, zu gewinnen. Ob Joël Dicker hier aus eigener Erfahrung spricht, sei einmal dahin gestellt, doch als er im Alter von zehn Jahren seine Zeitung, „La Gazette des animeaux“ gründete, war er sicher konkurrenzlos. Sieben Jahre lang führte der Junge die Zeitung und wurde für sein umweltpolitisches Engagement schließlich mit dem Tierschutzpreis „Prix Cunéo pour la protection de la nature“ ausgezeichnet. Die Tageszeitung „Tribune de Genève“ nannte ihn lobend den „jüngsten Schweizer Chefredakteur“. Die Parallelen zum „Fabelhaften“ sind also kaum zu übersehen. Nach der Schule zog Joël Dicker nach Paris, wo er zunächst Schauspiel studierte, doch schon ein Jahr später kehrte er nach Genf zurück und begann an der Universität Genf ein Jura-Studium. Noch während dieser Zeit veröffentlichte Dicker sein Debüt, die Novelle „Le Tigre“. 2012 gelang ihm mit „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ der internationale Durchbruch. Der Roman bedient sich eines bewährten Konzeptes: Mord in einer Kleinstadt. Dicker schickt den Schriftsteller Marcus Goldman ins Rennen, um in diesem undurchsichtigen Mikrokosmos zu ermitteln. Dabei zeigt sich, dass in Aurora nichts so ist, wie es zunächst den Anschein hat. Auch diese Idee ist nicht neu. Doch Joël Dicker schnürt den Sack Seite für Seite immer enger, bis man am Ende nicht mehr in der Lage ist, Realität und Fiktion auseinander zu halten. Das Buch scheint sich aus der Ebene der Literatur zu erheben und in unsere Wirklichkeit überzutreten. Joël Dicker spielt mit der Realität, beherrscht die Illusion perfekt und hat einen so vielschichtigen Roman geschaffen, dass er der Komplexität des echten Lebens in fast nichts nahesteht – und das alles, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Mitunter liest sich „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ zwar recht langatmig, doch das große Finale belohnt den Leser für etwaige Durststrecken. Joël Dicker ist damit selbst zu jenem Wunderkind der Literatur geworden, das er mit seinem Marcus Goldman erdacht hat. Wir dürfen also sehr gespannt sein, was er sich als nächstes überlegen wird.

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