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Lilly Lindner

Lilly Lindner hat in ihrem jungen Leben schon viel Schreckliches erlebt. © Silke WeinsheimerLilly Lindner (Jahrgang 1985) ist eine junge deutsche Autorin, die mit ihrem erschütternden Debüt-Roman „Splitterfasernackt“ sofort den Durchbruch schaffte. Sie weiß, wovon sie darin schreibt: Vergewaltigung, Selbstverstümmelung, Prostitution und Magersucht - all das hat sie am eigenen Leib erlebt, seit sie mit sechs Jahren zum ersten Mal von ihrem Nachbarn vergewaltigt wurde. Anschließend kam Lilly Lindner in eine psychosomatische Klinik, weil sie sich selbst verletzte und das Essen verweigerte. Etwa zur gleichen Zeit begann sie schon, autobiographische Texte zu schreiben, Texte über ein Leben, das man niemandem wünscht. Mit 21 Jahren kam Lindner zur Prostitution. Auch davon schreibt sie in ihrem Debütroman „Splitterfasernackt“, der Lilly Lindner quasi über Nacht berühmt machte.

Sie schreibt, um ihre Gefühle und Gedanken aufs Papier zu bringen, gibt sich selbst eine andere Identität, in der sie sich vor ihrem Alltag verstecken kann. Lilly Lindner litt nach wie vor an Anorexie und Bulimie, sie ritzte sich und glaubte, sterben zu müssen. Doch dann kam der Wille durch, etwas zu hinterlassen. Über einen Bekannten kam das Manuskript zu „Splitterfasernackt“ an einen Verleger, der das Buch umgehend veröffentlichte. Es schoss innerhalb kürzester Zeit in die Bestsellerlisten. Ihre ungeschminkte Sicht auf eine Welt, über die sonst kaum gesprochen wird, ihre „glasklare, welthaltige Prosa“ (FAZ) legte Schockierendes offen, sorgte für Diskussionen und berührte die Leser. Wenn Sie sich in ihrem Buch selbst „ein geficktes Kind“ nennt, dann nicht, weil sie solche vulgären Worte mag. Dem „Stern“ erklärte Lilly Lindner, Missbrauch sei ein so unheimlich sanftes Wort. „Vergewaltigung aber ist nicht warm und auch nicht zärtlich. Ja, ich schreibe „ficken“, weil es schmutzig und vulgär klingt.“

Als die BILD-Zeitung Lilly Lindner fragte, warum sie sich dazu entschieden habe, das Drama ihres Lebens zu veröffentlichen, antwortete die damals 25-Jährige: „Meine Geschichte zu veröffentlichen, das ist ein Versprechen an mich selbst: Dass ich noch hier bin. Im Leben. Worte sind der einzige unverfälschte Ausdruck, den ich kenne. Ansonsten kann ich mich durch den Tag lächeln, obwohl ich eigentlich weinen möchte. So überzeugend, als würde ich selbst daran glauben.“ Lilly Lindner hat das Schweigen gebrochen – und nun scheint es ihr unmöglich, mit dem Schreiben aufzuhören. Gut so, denn „Bevor ich falle“, ihr zweiter Roman, bestätigt, was „Splitterfasernackt“ bereits erkennen ließ: Lilly Lindner hat ein außergewöhnliches Erzähltalent, eine Gabe, mit Worten umzugehen, einen Stil der tief berührt. In ihrem Verlag habe man ihr gesagt, sie trage ein „Wortgewand“. Wieder sind es dunkle Themen, die das Leben eines jungen Mädchens überschatten: der Selbstmord der Mutter, Selbstverstümmelung... doch in Lindners zweitem Roman gibt es auch kleine Momente des Glücks, Momente der Hoffnung und man wünscht es Lilly Lindner so sehr, dass es noch viele dieser Momente in ihrem Leben geben wird.

Inzwischen hat Lilly Lindner fast zehn Kilogramm zugenommen und ist unheimlich stolz auf sich, wenn sie die Marke von 40 Kilo knackt. „Und manchmal weine ich, weil ich spüre, ich habe wieder abgenommen. Wenn ich 39 Kilo wiege, merke ich, die Gratwanderung geht wieder los“, sagte sie dem „Stern“ bei einem überraschend intimen Interview in ihrer eigenen Wohnung. Die Gratwanderung resultiere daraus, dass sie jahrelang habe verschwinden wollen und dabei gleichzeitig schreckliche Angst gehabt habe, dann spurlos verschwinden zu sein. „Ich hatte auch nie gedacht, dass ich noch da bin, wenn meine Bücher erscheinen.“ Doch sie ist noch da – und hat im Januar 2015 ein weiteres Buch veröffentlicht. „Winterwassertief“ handelt davon, wie schwer es für Lilly Lindner war, nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches so sehr im Rampenlicht zu stehen und es handelt von der Ambivalenz ihrer eigenen Gefühle – einer Ambivalenz die auch darin deutlich wird, dass jemand ein Buch darüber veröffentlicht, wie er sich gefühlt hat, nachdem er ein anderes Buch veröffentlicht hat. „Winterwassertief“ handelt aber auch von den berührenden Erlebnissen, die sie seitdem hatte, mit Menschen, die ähnliches erlebt haben und die das Gefühl hatten, dass Lindner ihnen mit ihren Worten geholfen habe.

Doch zurück bleibt die Erkenntnis: „Kein Mensch kann sich entvergewaltigen.“ Und die große Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Geborgenheit, die Lindner heute empfindet. „Nach liebevoller Beziehung“, erklärte sie dem „Stern“. Doch an zärtliche Berührungen ist für sie nicht zu denken. Das Schreiben sei für sie eine Notwehr, ein Versuch, den „sogenannten Wortknoten“ in ihrem Bauch abzubauen, der dort entsteht, wenn man viel hungert. „Je weniger ich esse, desto mehr kann ich schreiben“ und das Schreiben sei notwendig, um ein paar Worte aus ihrem Kopf herauszunehmen. Er würde sonst platzen. „Es wäre schade drum“, erklärt sie. „Ich bin eine kleine Wortfabrik. Ein Buchstabenparasit. In einem Jahr schrieb ich 15 Bücher, ich hab geschrieben und geschrieben, bis ich leerzeichenbesessen und buchstabenverwandt war.“ Mit ihren Texten wolle sie aber auch noch etwas anderes: Menschen anrühren. „Vielleicht helfen meine Worte, dass andere Frauen nicht die gleichen Fehler machen wie ich. […] Wenn ich nur eine einzige Frau davon abhalten kann, ihren Körper zu verkaufen, dann habe ich schon etwas geschafft“, sagte Lilly Lindner im Gespräch mit dem „Stern“, das Autor Arno Luik mit der Frage beendete, wo sie sich in zehn Jahren sehe. „Ich werde noch leben“, antwortete sie. „Hoffe ich.“

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