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Die Flut der Literaturpreise unter der Lupe

 

Hand mit Medaille versinnbildlicht LiteraturpreiseDeutschland als Land der Dichter und Denker – kein anderes Land in Europa kann mit vergleichbar vielen Literaturpreisen aufwarten, wie die Bundesrepublik. Da gibt es den Deutschen Buchpreis, Büchnerpreis, den Kleistpreis, den Heine- und den Goethe-Preis, aber auch so viele kleine Literaturpreise, von denen man in der Regel noch nie gehört hat: den Adelbert-von-Chamisso-Preis, den Hermann-Lenz-, Uwe-Johnson- oder Jean-Paul-Preis. Rechnet man dann auch noch die vielen kleinen Stadtpreise, Festivalspreise und die Preise privater Stifter, etwa den „Ripper Award“ der Stadt Unna, den Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen, den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung und den aspekte-Literaturpreis, mit ein, kommt man auf Sage und Schreibe etwa 1.200 Literaturpreise, die allein in Deutschland an deutschsprachige Schriftsteller vergeben werden. Kein anderes europäisches Land hat auch nur annähernd so viele Preise für Literatur zu vergeben.

 

Warum es (theoretisch) nie genug Literaturpreise geben kann


Ja, sagen die Befürworter der Literaturpreise, das ist nur angemessen, schließlich ist Literatur ein Kulturgut, das gefördert und erhalten werden muss. Die moderne deutsche Literatur tritt schließlich das Erbe von Goethe, Schiller und Co. an und sieht sich auch international in der Verantwortung, diesen Größen der Literatur Rechnung zu tragen. Und klar ist: Schriftsteller, die sich vor lauter Geldsorgen kaum auf ihre Geschichte konzentrieren können, sind nicht dazu geeignet, in die Fußstapfen der Weltliteraten zu treten. Bücher, die wie am Laufband geschrieben werden müssen, weil es sich der Autor kaum leisten kann, das Geschriebene noch einmal selbstkritisch zu überprüfen und so lange an ihnen zu feilen, bis sie seinen hohen Standards – und den Standards der großen Literaturpreise – genügen, werden dazu ebenso wenig geeignet sein.

 

Es braucht also Geld, damit große Literatur entstehen kann. Auch Johann Wolfgang von Goethe hatte seine Förderer und Förderinnen, ohne die es ihm niemals möglich gewesen wäre, seine Werke der Weltliteratur zu schaffen. Weil Goethe aber aus gutem Hause stammte und nebenbei noch einen Broterwerb hatte, traf ihn das weniger schlimm als andere Schriftsteller, die vollkommen von dem Geld ihrer Förderer abhängig waren. Und so ist es bis heute. Die meisten Schriftsteller können von dem, was sie durch den Verkauf ihrer Bücher verdienen, nicht leben. Sie haben einen Brotberuf und zwacken die Zeit zum Schreiben am frühen Morgen, am späten Abend und an den Wochenenden ab. Sie können eine Finanzspritze in Form eines Literaturpreises natürlich gut gebrauchen – mindert er doch die finanziellen Sorgen ein bisschen und verschafft den aufstrebenden Autoren Zeit und Luft zum Schreiben. So gedacht kann es eigentlich kaum genug Literaturpreise in Deutschland geben.

 

Warum es (theoretisch) zu viele Literaturpreise gibt


Aber, wendet Oliver Jungen in der FAZ ein, bedeutet diese Flut von Literaturpreisen nicht am Ende eine „Entwertung der Währung Schriftstellerlob“? Er beklagt: „Zutraulich geworden durch regelmäßige Fütterung, scheint der Literatur sogar das Bewusstsein dafür abhanden gekommen zu sein, dass ihre innere Natur nicht die des Haustiers ist, sondern die der Bestie.“ Kann ein Schriftsteller, der nicht aus der Not heraus schreibt, weil etwas in ihm brennt und lodert und sich um nichts in der Welt daran hindern lässt, auf Papier gebannt zu werden, tatsächlich preiswürdige Literatur zustande bringen? Verdient ein solches Buch den Literaturnobelpreis? Führt der Überfluss an Literaturpreisen und den damit verbundenen Geldbeträgen und Stipendien nicht dazu, dass es sich die Schriftsteller zu bequem machen und nur noch schreiben um des Schreibens willens, obwohl sie nichts zu sagen haben, obwohl sie das, wovon sie schreiben, gar nicht kennen? Und führt es nicht auch dazu, dass wir jene unterstützen, die von Hause aus von der Literatur nicht leben könnten? Die natürliche Auslese in der Literatur sorgte immer dafür, dass nur jene vom Schreiben leben konnten, die tatsächlich schreiben konnten und eine Leserschaft fanden. Die anderen mussten sich nach einem anderen Broterwerb umsehen. Natürlich gab es in dieser natürlichen Auslese auch Sonderfälle, Ausnahmen, Glückskinder und Unglücksraben. Einige überragende Schriftsteller haben zu Lebzeiten nie den Ruhm erlebt, der ihnen heute zu Teil wird. Doch Oliver Jungen meint in der FAZ: „Dass sich Schriftsteller auf eigene Verantwortung durchs Leben schlagen, wäre ein Anfang; Kafka jedenfalls hat es nicht geschadet.“

 

Mann, dessen Schatten Literaturpreise gewinntFür Jungen jedenfalls haben die Literaturpreise in dieser Fülle keine Daseinsberechtigung. Im Gegenteil: Anstatt die Literatur zu fördern, dafür zu sorgen, dass Schriftsteller Zeit und Ruhe hätten, herausragende Literatur zu produzieren, würde es dafür sorgen, dass jeder Hinz und Kunz ohne Motivation, ohne Wut, ohne Inspiration Bücher veröffentlichte. Jungen schreibt deshalb: „Wenn der Literatur nutzt, was den Schriftstellern schadet, dann, liebe Förderfunktionäre und kuchenverdrückendes Literaturhauspublikum: Schadet den Schriftstellern! Hungert sie aus! Macht sie wütend! […]was dann entsteht, das ist es, was wir lesen wollen und was das Zeug hat, die Zeiten zu überdauern.“ Er hält es dabei mit Alfred Döblin, der in der Weimarer Republik empört war, als Literatur keine Gegner mehr zu haben schien, als die Schriftsteller in „vorauseilender Umarmung“, wie Jungen es nennt, eingelullt wurden.

 

Döblin schrieb damals ein hitziges Pamphlet, in dem es heißt: „Wir wollen ernst genommen sein. Wir wollen wirken, und darum haben wir - ein Recht auf Strafe.“ Wenn Literatur also heute ausnahmslos mit Literaturpreisen gefeiert wird, wenn sie nicht mehr verteufelt, kritisiert, zur Reflektion gezwungen wird, dann scheint ihr das genommen worden zu sein. Dann ist sie zum zahnlosen Tiger verkommen, der als Pflegefall der Gesellschaft seinen Lebensabend fristen darf, tattrig und harmlos. So entsteht vielleicht ganz nette Trivialliteratur, die uns für einen Moment unterhält, aber so entstehen keine Literaturklassiker. Mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth oder dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet zu werden, ist ebenso wenig das Ziel des großen literarischen Schaffens, wie die Adelung einer Buchverfilmung oder eines Hörbuches. Am Ende träumen doch alle Schriftsteller davon, in das Pantheon der Weltliteratur aufgenommen zu werden und die Zeit zu überdauern. Fragt sich nur, ob die Fülle der Literaturpreise dies nicht noch ein kleines bisschen schwieriger gemacht hat, als es ohnehin schon war.

 

Ob die Träger der Literaturpreise diese verdient hatten, darüber bildet sich am Ende wohl am besten jeder Leser sein eigenes Urteil. Hier haben wir die Literaturpreisträger der letzten Jahre für Sie zusammengefasst - jedoch mit einer kleinen Anmerkung: Nicht alle ausgezeichneten Bücher finden sich in unserem Portal wieder. Einige von ihnen sind von uns (noch) nicht als Buchtipp aufgenommen worden.

 

Passend zum Thema empfehlen wir Ihnen außerdem "Der beste Roman des Jahres" von Edward St. Aubyn, eine bitterböse Komödie über den englischen Literaturbetrieb.

 

Literaturnobelpreis:

 

Pulitzer-Preis:

 

Deutscher Buchpreis:

 

Deutscher Jugendliteraturpreis:

2014

2015

 

Preis der Leipziger Buchmesse 2014:

 

Siegfried-Lenz-Preis 2014:

 

Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2014:

 

Friedrich-Glauser-Preis 2013:

 

Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2013:

 

Evangelischer Buchpreis 2013:

 

Deutscher Hörbuchpreis 2013:

 

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2013:

  • Swetlana Alexijewitsch

 

Hoffmann-von-Fallersleben-Literaturpreis 2014:

 

Luchs 2014:

 

Literaturtipp der Woche

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