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Die Kindererziehung als Stolperfalle

 

Kindererziehung an einem kleinen JungenDie Kindererziehung ist ein Balance-Akt: Ständig versuchen Eltern zwischen den Extremen zu wandeln, ihr Kind nicht zu vernachlässigen und es nicht über Gebühr zu verwöhnen. Zu viel Liebe und zu wenig Liebe, zu viel Aufmerksamkeit und zu wenig Aufmerksamkeit, zu viel Freiheit und zu wenig Freiheit - die Kindererziehung scheint eine einzige Stolperfalle zu sein, in der Eltern zu viel falsch machen können. Je nachdem, welchem Experten man vertraut, wird einmal das Eine verdammt, dann wieder das Andere. Überall lauern Fallstricke und es ist kein Wunder, dass Eltern bei jedem Schritt befürchten, einen Fehler zu machen. Ob Ernährung, Lob und Bestrafung, Regeln und Freiheiten, Förderung und Forderung – bei jeder Entscheidung, die Eltern in der Kindererziehung treffen müssen, scheint ihnen ein Supervisor über die Schulter zu blicken, der gleich mahnend den Zeigefinger hebt und dem selbst der kleinste Fehler nicht entgeht.

 

Junge Mütter dürfen sich nicht nur zu Hause von Eltern, Schwiegereltern, Tanten, Großeltern und Freunden mit Kindern anhören, dass man aber dies nicht tut und jenes lieber lassen sollte, sie werden nicht selten auch ungefragt auf der offenen Straße auf die kleinen Fauxpas der Kindererziehung aufmerksam gemacht. Jeder scheint alles besser zu wissen und zu allem eine Meinung zu haben. Kein Wunder, dass die jungen Mütter verunsichert und nicht selten mit der Situation überfordert sind. Suchen Sie dann nach einem Eltern-Ratgeber, der alle Zweifel beseitigt und eine klare Linie vorgibt, erfolgt im Buchladen der nächste Rückschlag: Ratgeber zur Kindererziehung gibt es wie Sand am Meer und jeder einzelne von ihnen hat genauso viele Anhänger wie Gegner. Die Kritiken und Rezensionen halten sich genau in der Mitte die Waage und erlauben ebenfalls kein verlässliches Urteil darüber, mit welchem Buch die Kindererziehung endlich so leicht wird, wie sie bei den eigenen Eltern immer wirkte.

 

Als Kindererziehung noch Bauchsache war


Wie schön muss es gewesen sein, als die Medien noch nicht voll waren vom Thema Kindererziehung, als noch nicht jeder Autor seinen Senf dazu geben, noch nicht jeder in Blogs und Kolumnen seine Meinung kund tun und in Talkshows zum Besten geben durfte? Bevor die Kindererziehung zum Trendthema der Sendechefs, Chefredakteure und Verlage wurde, war sie ein ganz alltäglicher Teil unseres Lebens. Dieser Vergleich mag vielleicht etwas hinken, aber Tiere benötigen keine Ratgeber für die Kindererziehung. Sie wissen instinktiv, was es braucht, um ihre Jungen so zu erziehen, dass sie überleben können. Über Millionen von Jahren wussten das auch die Menschen. Die jungen Frauen lernten von den anderen Frauen in der Gemeinschaft, von ihren Müttern, Schwestern, Tanten und Freunden, wie Kinder zu erziehen waren, und verließen sich sonst auf ihre Instinkte. Die Kindererziehung war fester Bestandteil des Alltags und musste nicht speziell gelernt werden, sie geschah nebenbei, indem die Eltern dem Kind mit auf den Weg gaben, was es wissen musste, um zu überleben.

 

Doch je komplexer die Gesellschaft wurde, desto komplexer wurde plötzlich auch die Kindererziehung. Das ist der Punkt, an dem sich die Erziehung von Jungtieren von der Erziehung von Kindern unterscheiden muss, denn bei der Kindererziehung heute geht es nicht mehr nur darum, den Nachwuchs in die Lage zu versetzen, dass er selbstständig überleben kann. Nein, wir wollen unseren Kindern Dinge mit auf den Weg geben, wollen ihnen ein gutes Leben ermöglichen, wollen sie mit den besten Voraussetzungen für ein erfülltes Leben ausstatten, ihnen all die Kompetenzen und Skills vermitteln, von denen wir wissen (oder zu wissen glauben), dass sie sie später einmal brauchen. Eltern wollen ihren Kindern mit der Kindererziehung Wettbewerbsvorteile verschaffen. Je besser die Kindererziehung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem Kind einmal etwas wird, so glauben wir. Und das stimmt: Das soziale Umfeld, die Herkunft, ist prägend für den Lebensweg der Kinder und darf nicht unterschätzt werden. Die ersten Jahre legen das Fundament für den erwachsenen Menschen, zu dem das Kind eines Tages werden wird. Hier werden die Weichen gestellt und der Charakter geformt.

 

Psychologische Ansätze in der Kindererziehung


Familie in der KindererziehungDoch genauso sehr zeigt sich, dass der Versuch, alles richtig zu machen und nur keine Fehler zu begehen, genauso irreführend sein kann, wie eine Kindererziehung, die ohne jedes Konzept erfolgt. Wenn Eltern jeden Instinkt abschalten und nur noch versuchen, es allen Ratgebern für die Kindererziehung recht zu machen, dann kann das genauso fatale Auswirkungen für die Kinder haben, wie Vernachlässigung. Rudolf Dreikurs, Autor des Erziehungsklassikers "Kinder fordern uns heraus", rät deshalb zu einem Mittelweg. In Zusammenarbeit mit Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, hat Dreikurs ein Erziehungskonzept entwickelt, das auf gegenseitigem Respekt und Rücksichtnahme basiert – und sich in den über 70 Jahren seit seiner Erstveröffentlichung als überaus praktikabel und erfolgreich erwiesen hat.

 

Dabei gibt Dreikurs Eltern einen Gradmesser an die Hand, mit dessen Hilfe Eltern Entscheidungen treffen und ihre Verhaltensweise beurteilen können: „Bin ich dem Kinde gegenüber respektvoll, indem ich seine Bedürfnisse und Fähigkeiten beachte, es weder über- noch unterfordere, es nicht degradiere, nicht überbehüte, sondern ihm und seinen Fähigkeiten vertraue?” Dass Sie diese Frage jederzeit mit „Ja“ beantworten können, sollte, Dreikurs zufolge, die eine Maxime Ihrer Kindererziehung sein. Die Zweite ist jedoch nicht weniger wichtig: „Bin ich mir gegenüber respektvoll, indem ich mit freundlicher Bestimmtheit auf die Einhaltung von Grenzen und Vereinbarungen achte, und auch meine berechtigten Anliegen Berücksichtigung finden, selbst wenn pädagogisches Handeln manche persönliche Einschränkung erfordert?” Respekt in der Kinderziehung bedeutet für Dreikurs also, sowohl dem Kind als auch sich selbst Respekt entgegenbringen. Denn nur wenn sich die Eltern selbst und gegenseitig respektieren und souverän auftreten, kann auch das Kind ihnen Respekt entgegenbringen.

 

Obwohl Dreikurs‘ Konzept der Kindererziehung schon 70 Jahre alt ist, ist es noch immer gültig und wird noch immer von vielen Eltern sehr gepriesen. Vor allem die Unterscheidung in soziale Grundbedürfnisse und sogenannte „irrige Nahziele“ der Kinder kann für die Erziehung hilfreich sein. Als die vier sozialen Grundbedürfnisse haben Adler und Dreikurs folgende Aspekte identifiziert: Das Kind muss sich dazugehörig und geliebt, respektiert und fair behandelt fühlen, muss Sicherheit empfinden und das Gefühl haben auch mal ein Wagnis eingehen zu können und es muss das Gefühl haben, wirkmächtig zu sein, also Einfluss ausüben und damit einen Beitrag leisten zu können. Werden diese sozialen Grundbedürfnisse nicht befriedigt, so Dreikurs, kompensieren Kinder dies mit ungeeigneten Mitteln, den sogenannten „irrigen Nahzielen“, die als eine Art Ersatzbefriedigung fungieren. Sie verlangen dann in unangemessener Art und Weise und auf falschem Wege nach Aufmerksamkeit und Zuwendung, lügen und trotzen, um in irgendeiner Form Macht ausüben und Überlegenheit erlangen zu können, entwickeln Rachegedanken, um ihr verletztes Selbstwertgefühl ausgleichen zu können, werden misstrauisch und feindselig, und  ziehen sich zurück und stellen ihre Unfähigkeit zur Schau, um sich die Enttäuschung zu ersparen, etwas nicht zu können und sich dann minderwertig zu fühlen.

 

Kindererziehung mit Ratgebern und Menschenverstand


Trauriger Junge bei fehlgeschlagener KindererziehungIn seinem Buch „Kinder fordern uns heraus“ erklärt Dreikurs Eltern, wie sie die „irrigen Nahziele“ erkennen und wie sie darauf entsprechend reagieren. Die Kindererziehung auf Basis der Individualpsychologie rät dabei grundsätzlich zu Wertschätzung, Verständnis, Ermutigung und Miteinbeziehung, aber auch zum einfühlsamen Zuhören und dazu, Grenzen zu setzen und diese konsequent einzuhalten. Ohne Grenzen sind Kinder schutz- und orientierungslos, sagt auch Michael Winterhoff, der mit seinen Büchern „SOS Kinderseele“ und vor allem „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ einen wichtigen Beitrag zum aktuellen Forschungsstand der Kindererziehung hat.

 

Winterhoff beschäftigt sich mit Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen und ist davon überzeugt, dass Kinder nicht wie „kleine Erwachsene“ behandelt werden dürfen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen können. „Nur wenn unsere Kinder wieder wie Kinder behandelt werden, können sie in einem positiven Sinne lebensfähig werden“, schreibt er in seinem Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“. Wer seine Kinder wie gleichwertige Partner behandelt und ihnen die Verantwortung für sich selbst vollkommen überlässt, verbaue dem Kind nämlich die Chance auf eine gesunde Entwicklung und fördere Konzentrations- und Lernschwächen und das Fehlen von Respekt. Schnell erziehe man sich so einen „lustorientierten Egoisten, dem es schwer fällt, wenn sich nicht alles nach ihm richtet.“            

 

Empfehlenswerte Ratgeber zur Kindererziehung

                   

Beide genannten Ratgeber appellieren jedoch daran, ein instinktives Gefühl für die Kindererziehung zu entwickeln, das auch den gesunden Menschenverstand und den natürlichen Instinkt der Eltern berücksichtigt. Beide helfen dabei, ein grundlegendes Verständnis für die Bedürfnisse und das Verhalten der Kinder zu entwickeln, doch weil jedes Kind anders ist, können die Ratschläge niemals im Verhältnis 1:1 umgesetzt werden. Das sollte den Eltern aber keine Angst machen, sondern sie eher dazu ermutigen, aus dem Bauch heraus zu entscheiden. Sie können Ihre Kinder nur dann zu mutigen, verantwortungsbewussten Erwachsenen erziehen, wenn Sie selbst mutig und verantwortungsbewusst sind. Seien Sie Ihren Kindern gute Vorbilder – das ist schon die halbe Miete bei der Kindererziehung. Wer sich darüber hinaus zum Thema etwas belesen möchte – ohne sich anschließend verrückt zu machen – kann dies in den Ratgebern tun, die wir zum Thema Kindererziehung für Sie zusammengestellt haben.

 

Unsere Buchtipps - Empfehlenswerte Bücher zur Kindererziehung:

 

Babys und die ersten Jahre

 

Trotzphase - Wenn die Kinder älter werden

 

Pubertät - Wenn Erziehung richtig schwierig wird

 

Wer wissen will, was seine Kinder wirklich denken, wenn sie nichts sagen, sollte "Teenie-Leaks: Was wir wirklich denken (wenn wir nichts sagen)" von Paul David Bühre lesen. Wenn Ihre Kinder schon etwas älter sind, lesen Sie "Die Liegenden" von Michel Serra. Sie werden viel davon wiedererkennen.

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