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Vorlesen als Geschenk von Mama und Papa

 

Mutter und Tochter beim VorlesenVorlesen ist nicht gleich Vorlesen. Sprecher von Hörbüchern wissen genauso wie Kindergartenerzieher und Grundschullehrer: Es macht einen großen Unterschied, ob jemand einen Text einfach nur verbalisiert, oder ob er ihm beim Vorlesen Leben einhaucht. Es geht dabei nämlich nicht nur darum, einem Kind oder einer Gruppe von Menschen einen Text und seine Inhalte zu vermitteln. Vielmehr erfüllt das Vorlesen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Deshalb sollte es nicht nebenbei und gedankenlos erfolgen. Auf literaturtipps.de merken wir das immer wieder in der Auseinandersetzung mit buchrelevanten Themen. So haben wir bereits viel darüber erfahren, wie sich das Lesen kulturgeschichtlich entwickelt hat, warum wir lesen, wie Kinder mit Hilfe eines Bilderbuchs lernen und wie wichtig Kinderbücher für eine glückliche Kindheit sind. Das Vorlesen nimmt in all diesen Themen eine besondere Rolle ein.

 

So machen Eltern ihrem Kind beim Vorlesen ein Geschenk


Schon kurz nach der Geburt nehmen Babys Laute wahr, lernen sie zu unterscheiden und wie sie sich zusammensetzen – noch lange, bevor sie etwas sehen oder gar erkennen können. Schon ab sechs Monaten fängt dann die Prägung durch vertraute Lautkombinationen an. Hier beginnt die Entwicklung der Sprache. Haben die Säuglinge bis dahin praktisch „international“ gehört und konnten eine Sprache nicht von der anderen unterscheiden, erkennen sie nun Lautkombinationen wieder – und bringen sie irgendwann mit den Gegenständen und Personen in ihrer Umgebung in Verbindung. Durch das Vorlesen kann dies gefördert und geschult werden. Aus Lauten wird Sprache. Ohne sie wäre ein menschliches Zusammenleben in der Form, wie wir es kennen, evolutionär nicht möglich gewesen. Eine Verständigung durch Gebärden und einfache Laute ist zwar bis zu einem gewissen Grade möglich, doch komplexe abstrakte Sachverhalte können eben nur in der Sprache übermittelt werden. Die Sprache ermöglichte es den Menschen, Geschichten und Legenden – und damit Wissen – weiterzugeben. Wenn wir Kindern also etwas vorlesen und ihnen damit die Sprache vermitteln, geben wir Ihnen die Möglichkeit, am menschlichen Miteinander teilzunehmen und das nächste Glied in der Kette zu werden, die Millionen von Jahren überdauert hat.

 

Macht man sich diese volle Bedeutung des Vorlesens bewusst, wird deutlich, warum Pädagogen und Forscher aus allen Fachrichtungen dazu aufrufen, den Kindern mehr vorzulesen. Effektiver – und vor allem schöner für beide Seiten – ist es dabei, den Text durch das Vorlesen nicht einfach nur in die gesprochene Sprache zu übertragen, sondern ihn mit Hilfe der Stimme aus der Zweidimensionalität herauszuheben. Das gelingt schon durch leichte Variationen in der Tonhöhe, durch den spielerischen Umgang mit der Stimmfarbe und durch die Betonung. Wer Kindern vorliest, merkt schnell, dass er mit der Stimme in verschiedene Rollen schlüpft. Eine kleine Maus wird man mit feiner, piepsiger Stimme lesen, wohingegen Bären und Elefanten dunkle, tiefe Stimmen bekommen. Nimmt die Handlung Fahrt auf, liest man unwillkürlich schneller, schleichen sich die Helden an den Bösewicht heran, wird man flüstern. Einer lustigen Szene fügt man beim Vorlesen nicht selten eine beschwingte Note hinzu und lacht sogar. Selbst die Mimik ändert sich. Eltern, die ihren staunenden Kindern  Gute-Nacht-Geschichten vorlesen, heben dabei immer wieder den Blick, sehen die Kinder an und vermitteln ihnen die Emotionen des Buches mit einem heiteren, grimmigen, traurigen oder frechen Gesichtsausdruck, den die Kinder in der Regel kopieren. So entsteht eine erste Form der Interaktion im Vorlesen. Eine Interaktion, die man fördern sollte, folgt man einem Ansatz, der in den späten 1980er Jahren von amerikanischen Forschern entwickelt wurde.

 

Tipps und Techniken zum Vorlesen für Kinder


Das Dialogische Lesen („dialogic reading“) ist eine Form des Vorlesens, die das Kind stärker mit einbezieht. Das Buch wird zur Basis eines Dialogs zwischen Eltern und Kind, zum Ausgangspunkt ihrer kreativen Interaktion – und ist nicht länger zentraler Bestandteil des Vorlesens. Während der Erwachsene beim klassischen Vorlesen die ganze Zeit über gleich bleibend aktiv ist, indem er dem passiv agierenden Kind vorliest, ist der Erwachsene beim Dialogischen Vorlesen nur am Anfang aktiv und gibt dem Kind Impulse, die dieses dann aufgreift und somit zum aktiven Part wird. Aus der nur gelegentlichen Interaktion, wie sie beim Vorlesen – wie oben beschrieben – üblicherweise geschieht, wird ein reger Austausch. Zwischenrufe des Kindes stören den Lesefluss nicht, sondern sind ausdrücklich erwünscht. Beim Dialogischen Vorlesen wollen Sie wissen, was in Ihrem Kind vorgeht, welche Assoziationen es hat. Es soll lernen, sich auszudrücken und seine Gedanken in Worte zu fassen. In seinem späteren Leben braucht es diese Fähigkeit.

 

Mutter und Kind Vorlesen im BettSpielerisch schulen Sie so die Sprachentwicklung des Kindes und fördern seinen kreativen Ausdruck. Indem der Vorleser aufgreift, was das Kind sagt, und es gegebenenfalls noch ausweitet (expandiert), gewinnt das Kind Selbstvertrauen beim Sprechen. Es weiß, dass es als Gesprächspartner ernst genommen wird und wird ermutigt, seine Gedanken zu äußern. Durch Lob, gezielte Fragen („Erinnerst du dich noch an…?“ oder „Was denkst du, wie die Geschichte weitergeht?“) und Impulse (Sätze vervollständigen: „Die Kuh macht…“) wird die kindliche Sprachaktivität angeregt. Die Sprech- und Sprachfähigkeit des Kindes wird verbessert und – und das ist mindestens genauso wichtig – das Kind lernt, wie viel Spaß das Lesen machen kann. Interaktives Vorlesen macht Eltern und Kindern gleichermaßen Freude und kann in dem jungen Zuhörer eine lebenslange Liebe zu Büchern und dem geschriebenen Wort wecken. Immer wird es sich dabei unterbewusst an die Atmosphäre von Liebe, Nähe und Geborgenheit erinnern, die beim abendlichen Vorlesen herrschte, als sich Mama oder Papa Zeit genommen haben, um gemeinsam die Welt der Bücher zu erkunden.

 

Zum Schluss noch ein kleiner Tipp, wie Sie beim Vorlesen außerdem dazu beitragen können, dass es Ihrem Kind später leichter fällt, das Lesen zu erlernen: Weisen Sie beim Vorlesen auf Besonderheiten im Schriftbild hin. Zeigen Sie schon bei Kleinkindern auf Buchstaben oder Wörter auf einer Seite, deuten Sie auf Großbuchstaben und fahren Sie beim Vorlesen mit dem Finger die Zeilen nach. So gewöhnen sich die Kinderaugen schon früh an das Schriftbild und an die Leserichtung. Laura Justice, Professorin für Lehren und Lernen an der Ohio State University in Columbus, hat 30 Wochen lang mit 300 Vorschulkindern gearbeitet. Ein Teil der Kinder wurde beim Vorlesen auf die Schrift hingewiesen, andere nicht. Die besten Resultate zeigten zwei Jahre später die Kinder, denen vier (statt nur zwei) Mal in der Woche mit Hinweisen auf die Schrift vorgelesen worden war. So konnten diese Kinder Wörter am besten lesen und aussprechen und schnitten bei Übungen zum Textverständnis deutlich besser ab als die anderen Versuchsteilnehmer. „Indem wir die Aufmerksamkeit der Kinder auf Buchstaben und Wörter lenken, helfen wir ihnen, den Code der Sprache zu knacken“, erklärte Shayne Piasta, die die Studie mit Justice zusammen durchgeführt hat. Schon kleine Variationen beim Vorlesen zeigen also eine große Wirkung.

 

Beide vorgestellten Techniken – das Dialogische Vorlesen und das hinweisende Vorlesen – können  Sie sofort in Ihre Vorlesestunden integrieren. Ihr Kind wird es Ihnen danken. Damit das allen Beteiligten Spaß macht, haben wir hier die schönsten Bücher zum Vorlesen für Sie zusammengestellt:

 

Ab 6 Monate

 

Bis 2 Jahre


Bis 4 Jahre


 


Bis 6 Jahre

 

Besonderes Vergnügen bereiten beim Vorlesen der tiptoi und der TING-Stift. Wenn das Kind dann alt genug ist, um selbst zu lesen, finden Sie hier Kinderbücher und Jugendbücher.

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