Jakob Augstein
Jakob Augstein (Jahrgang 1967) scheint einem Roman entstiegen zu sein. Die Zeitung Die Zeit analysierte ihn als einen „Typ voller Widersprüche, rätselhaft und fesselnd, verstrickt in eine Story, in der sich Mediengeschichte und bundesrepublikanische Historie, Kabale, Liebe, Konkurrenz und Neid verknäulen“. Bewundert, gehasst, kritisiert, in Schutz genommen - Jakob Augstein ist ein Charakter, der starke Emotionen provoziert, der nicht gleichgültig lässt und polarisiert. Man kann ihn – das haben deutsche Politiker, Journalisten, Nahost- und Antisemitismusexperten in der Vergangenheit häufig getan – gegen Vorwürfe in Schutz nehmen, sich aber gleichzeitig teilweise von seinen Aussagen distanzieren. Ihm im Ganzen zuzustimmen, scheint zu riskant zu sein. Selbst Journalist und Verleger, Besitzer der linken Wochenzeitung „Der Freitag“, ist Jakob Augstein bestens in die deutsche Medienlandschaft integriert – und das von Geburt an. Er wuchs als Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein auf, erfuhr aber 2002, dass der Schriftsteller Martin Walser sein leiblicher Vater ist. Das macht ihn zum Halbbruder der Journalisten, Schauspieler, Dramatiker und Schriftsteller unter den Walser-Kindern.
Der Weg des Jakob Augstein schien damit – rückblickend – vorgezeichnet: Er studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Theaterwissenschaft in Berlin und Paris und arbeitete schon während dieser Zeit freiberuflich für die Berliner Zeitung. Es folgten ein Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung, wo er 1999 die Berlin-Seite übernahm, und Abstecher ins Verlagswesen (mit Rogner & Bernhard) und zur Wochenzeitung Die Zeit. Seit 2008 verlegt Jakob Augstein die Wochenzeitung „Der Freitag“. In der TV-Sendung „Augstein und Blome“ diskutiert er auf Phoenix mit dem Leiter des Hauptstadtbüros der Bild-Zeitung, Nikolaus Blome, über aktuelle politische Themen und war dafür 2013 für den Grimme Preis nominiert. Seine Kolumne bei Spiegel Online – „S.P.O.N. – Im Zweifel links“ - erscheint seit Januar 2011 und bietet ebenfalls viel Gesprächsstoff. Darüber hinaus betätigt sich Jakob Augstein als Buchautor. Nach seinem philosophisch angehauchten Buch „Die Tage des Gärtners. Vom Glück im Freien zu sein“, in dem Augstein der Struktur eines Gartensachbuchs folgend über das Leben nachsann, sorgte er 2013 mit „Sabotage – Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen“ für Furore und heftige Kontroversen. Seine zentrale Aussage: Der Kapitalismus höhle die Demokratie aus und sorge dafür, dass die Bürger ihre Rechte nicht mehr wahrnehmen könnten. Seine Forderung, demokratische Prozesse notfalls auch durch Radikalität wiederzubeleben, stieß vielerorts auf Unverständnis und Wut. Andere urteilten, Jakob Augstein habe ein respektables Anliegen, doch er sei „leider ein denkbar schlechter Dramaturg“ (Cicero).
Durch seine Wortwahl und die Befürwortung auch drastischer Mittel lässt sich Augstein in die verschiedensten Lager drängen. Dabei will er gar nicht provozieren, sondern angreifbar sein (Tagesspiegel). Das hat er geschafft: Das Buch sorgte für zahllose Diskussionen. Doch ob man am Ende mit Jakob Augstein übereinstimmt, oder nicht – gelesen haben sollte man seine Ansätze schon. Und sei es auch nur, um über das Wesen der Demokratie nachzudenken und dabei nicht ganz ausgetretenen Ansätzen zu folgen. Eine solche kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen ist immer ein ehrenwertes Ziel für ein Buch. Ein weiteres lesenswertes Buch von Jakob Augstein erschien im September 2014: „Es wird eine Rebellion geben“. Darin finden sich Gespräche, die Augstein mit dem Schweizer Journalisten, Kolumnisten und Buchautor Frank A. Meyer geführt hat, kluge Unterhaltungen über die zentralen politischen und gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit: Trends in der Demokratie, Neoliberalismus, Totalüberwachung und das Ende des Kapitalismus. Ganz ohne Zweifel gehören Jakob Augstein und sein Gesprächspartner zu den großen Köpfen im deutschsprachigen Raum und das, was die beiden, die nur eint, dass sie links der Mitte angesiedelt sind, zu sagen haben, hat Biss und Tiefgang.
2015 gab Jakob Augstein, anlässlich des Todes von Frank Schirrmacher, das Buch "Ungeheuerliche Neuigkeiten: Texte aus den Jahren 1990 bis 2014" heraus und schrieb das Vorwort dazu.
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