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Franz Grillparzer

Franz Grillparzer (1791 – 1872) ist eine ambivalente Figur der Literaturgeschichte. Einerseits als österreichischer Nationaldichter und wichtigster Vertreter des Biedermeiers gefeiert, andererseits aber heute für seine Werke kaum ernst genommen. Das spiegelt sich auch in dem Bewusstsein für Grillparzer wieder: Während viele Menschen wohl mit dem Namen selbst etwas anzufangen wissen, könnten wohl nur die wenigsten Werke von ihm nennen – etwa „Die Ahnfrau“, „Sappho“, „Ein Bruderzwist in Habsburg“ oder „Die Jüdin von Toledo“ (Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Werk von Lion Feuchtwanger). Das Trauerspiel „Die Ahnfrau“ sorgte bei seiner Uraufführung 1824 im Wiener Burgtheater für einen „Rausch des Beifalls, aber auch des Entsetzens“ und erzielte außerordentliche Erfolge. Während des 19. Jahrhunderts erlebte es mehrere Blütezeiten und war als Repertoirestück allgemein bekannt. Dann geriet es in Vergessenheit.

Gräbt heute ein Theater „Die Ahnfrau“ von Franz Grillparzer aus und wagt sich an seine Inszenierung, dann geht das in der Regel schief. Das Biedermeier, die Entstehungszeit der „Ahnfrau“, ist uns fremd geworden. Die Aussage des Dramas bleibt uns oftmals verborgen. Hartmut Krug, Theaterkritiker für nachtkritik.de hat die Inszenierung des Wiener Burgtheaters im April 2013 besucht und befindet: „Wer diese alte Scharteke ausgräbt, muss gute Gründe dafür haben. Denn das langatmige, existentiell leidenschaftliche und bei der Lektüre mit unfreiwilliger Komik unterhaltende Stück klappert laut in seinen Unheils-Scharnieren, und auch seine vierfüßigen Trochäen helfen dem hochfahrenden und allzu hohl bedeutungsvoll klingenden Text eher nicht.“ Doch leider, „verrät uns Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann mit seiner Inszenierung nicht, was ihn an diesem Stück interessiert.“ So geht es vielen Zuschauern, wenn Grillparzers „Die Ahnfrau“ auf die Bühne kommt. Und auch die Lektüre ist heute nicht ganz leicht.

Schon 1898, also nur ein bisschen mehr als ein halbes Jahrhundert nach der gefeierten Uraufführung und erst 20 Jahre nach dem Tod von Franz Grillparzer, urteilte der Philosoph Rudolf Steiner nach einem Besuch der Inszenierung im Berliner Schillertheater, es sei ihm erschienen, als wäre das „eigentlich Seelische in sich leblos.“ Die Eigenschaften seien wie „Kleidungsstücke, die der unsichtbar bleibenden Seele angezogen sind.“ Deshalb habe Steiner nie in die „bedingungslose Grillparzer-Schwärmerei“ einstimmen können. Die Figuren der Dramen von Franz Grillparzer hätten ihn immer kalt gelassen. Doch Steiner präsentierte in dieser Kritik im „Magazin für Literatur“ auch seinen Erklärungsansatz: Grillparzer sei eine „schwache, willenlose Natur“ gewesen, die nicht die Kraft gehabt habe, „zu sich zu sagen: sei dein eigener Herr. […]Nicht mutvoll setzt er sich ans Steuerruder des Lebens und segelt rücksichtslos vorwärts; er lässt sich von den Wogen tragen, wohin sie ihn bringen.“

Womöglich war dies der Zeit geschuldet, in der Franz Grillparzer aufwuchs und die Schule besuchte. Die Französische Revolution und die Napoleonische Epoche hatten ihre Spuren hinterlassen und Grillparzer gehörte einer literarischen Bewegung an, die man später „Biedermeier“ nennen sollte. Flucht ins Private, Harmoniebedürfnis und daraus resultierend Vermeidung von Konflikten und Konfrontationen führten zu einer gewissen Beliebigkeit, zum Fehlen klarer Standpunkte und deutlicher Aussagen. Die Karlsbader Beschlüsse und die strenge Zensur taten ihr Übriges dazu, die Literatur so unpolitisch wie möglich zu halten. Sogar Franz Grillparzer, dessen Loyalität zu Kaiser Franz I. nicht in Frage gestellt werden kann, hatte mit dem Zensurdruck unter Josef von Sedlnitzky zu kämpfen. Er, der gefällig konservativ war, musste mit ansehen, wie seine Gedichte unterdrückt wurden und der Kaiser selbst versuchte, die Drucklegung von „Ein treuer Diener seines Herrn“ zu sabotieren.

Das und das eigenbrödlerische Wesen des Dichters, der trotz seiner Erfolge am Theater in der Wiener Theaterszene stets fremd wirkte, führten dazu, dass sich Franz Grillparzer über Jahre aus der Öffentlichkeit zurückzog. Erst in den 1850er Jahren entstand in Österreich überhaupt ein Bewusstsein für die Bedeutung des Dichters, den man in der Folge mit Ehren und Anerkennungen überschüttete und zum Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannte. All das macht die Ambivalenz von Franz Grillparzer aus, von dessen Dramen vor allem „Die Ahnfrau“ von 1817 die Zeit überdauert hat. Dafür gibt es einen Grund, den auch Rudolf Steiner betont: „Das Drama ist für die Erkenntnis Grillparzers ganz besonders wichtig“: „Ein großer Dichter wohnte in einer willensschwachen Persönlichkeit. Damit scheint mir das Phänomen Grillparzer charakterisiert.“

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