Rachel Joyce
Rachel Joyce ist eine britische Schriftstellerin und Autorin von BBC-Hörspielen, die mit ihrem Debüt-Roman „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ sofort den internationalen Durchbruch geschafft hat. Über die Entstehung der Geschichte, die von einer außergewöhnlichen Wanderung eines Mannes von Devon, in Südengland, nach Berwick-upon-Tweet, zur schottischen Grenze, berichtet, sagt Rachel Joyce: „Ich habe mein Herz in dieses Buch gelegt. Ich habe versucht, eine Geschichte zu schreiben, die nicht ganz den Regeln entspricht. [...] Letzten Endes wollte ich das Unwahrscheinliche wahrscheinlich machen“ (Buchcover). Und das ist ihr gelungen: Harold Fry und seine Pilgerreise inspirierten nicht nur im Buch viele Figuren, sondern auch die Leser fühlten sich von der ungewöhnlichen Geschichte über Glauben, Hoffnung, Trauer und Liebe berührt und angesprochen. Dass Rachel Joyce ein ungewöhnliches Talent für den Umgang mit Worten hat, weiß man spätestens, seit sie für mehrere ihrer Hörspiele ausgezeichnet wurde. Auch für das Fernsehen, für Film und Theater hat Joyce, die sich auch als Schauspielerin betätigt, erfolgreich geschrieben. Der durchschlagende Erfolg von „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ war aber auch für Rachel Joyce selbst, die mit ihrer Familie in Gloucestershire lebt, eine Überraschung. Das liegt wohl nicht zuletzt auch daran, dass es wahre Emotionen sind, von denen die Autorin schreibt: Sie schrieb die Geschichte im Wettlauf mit dem Tod ihres krebskranken Vaters. Diesen hat sie leider verloren. Doch Millionen von Menschen in aller Welt hat Rachel Joyce mit ihrem Roman neue Hoffnung gegeben. Nach dem großen Erfolg ihrer berührenden Road Novel ließ Rachel Joyce dann auch nicht lange auf einen zweiten Roman warten. „Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte“ (2013) wartet wiederum mit einem jener langen Titel auf, die spätestens seitdem in Mode sind, seit Jonas Jonasson den Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ veröffentlichte. Doch anders als Jonasson, dem es schwer fiel, mit seinem zweiten Roman, „Die Analphabetin, die rechnen konnte“, einen vollkommen eigenständigen Erfolg zu erzielen, ging Rachel Joyce ein Risiko ein, um dafür zu sorgen, dass der Nachfolger ihres Bestsellers kein Flopp wurde. Jonasson entschied sich dafür, sein Erfolgskonzept noch einmal anzuwenden; Joyce entschied sich dagegen und ging einen ganz neuen Weg. Wieder kreiert sie Charaktere, denen man quer durch England folgen würde, allen voran die schöne, aber traurige Diana, die Mutter des kleinen Byron. Aber sonst gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem Vorgänger. Über das ländliche Idyll auf dem Herrensitz der Familie legt sich in den 1970er Jahren ein dunkler Schatten, der die unbeschwerte Kindheit des 11-jährigen Byron jäh beendet. Sein Freund James hat ihm nämlich verraten, dass dem Jahr klammheimlich zwei Sekunden von der Regierung hinzugefügt werden sollen. Von da an kann Byron an nichts anderes mehr denken – und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die am Ende dazu führt, dass nur einer der beiden Jungen den Sommer unversehrt übersteht. Während es Rachel Joyce trotz der traurigen Problematik in „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ verstand, eine Beschwingtheit zu vermitteln, zeigt sie hier, dass ihr auch die schwere Kost liegt. Zuweilen möchte man weinen und die Charaktere bei den Schultern packen und sie schütteln. Die dramatische Entwicklung zeichnet sich früh ab und die Figuren steuern mit einer Sicherheit auf den Untergang zu, die manchmal kaum zu ertragen ist. Doch weil Rachel Joyce eine wirklich gute Erzählerin ist, hält man das bis zum Schluss durch. Und dann ist er wieder da: der Hoffnungsfunken.