Jon Klassen
Der kanadische Autor und Illustrator Jon Klassen (Jahrgang 1981) hat einen ganz eigenen, reduzierten Zeichenstil, der uns melancholisch an die Bilderbücher unserer Kindheit denken lässt, der uns aber zugleich noch als Erwachsene in entzücktes Lachen ausbrechen lässt. Nur wenige Kinderbücher machen Kinder und ihre Eltern gleichermaßen so glücklich. In einer Welt, in der man mit Computeranimationen alles schaffen kann, was man sich nur vorstellen kann, sind Klassens liebevoll Bundstift- und Tintenzeichnungen im Stil alter Kinderbücher eine wahre Wohltat. Er bedient sich gedämpfter Farben, verzichtet auf Verniedlichungen und schöpft aus dem Alltäglichen Poetisches. Die Anmut und Schönheit seiner Bilder, mit denen er auch sein preisgekröntes Bilderbuch „Wo ist mein Hut?“ versehen hat, sind der genauen Beobachtungsgabe des Kanadiers und seinem Blick für Details zu verdanken. Hinzu kommt, dass sich Jon Klassen traut, outside the box zu denken. Als er das Manuskript für „Wo ist mein Hut?“ vorlegte, eine Geschichte, in der ein Bär nach seinem verschwundenen Hut sucht, den er schließlich auf dem Kopf des Hasen findet, den er zur Strafe frisst, war nur ein einziger Verlag mutig genug, das Ende so abzudrucken, wie Jon Klassen es erdacht hatte. Alle anderen wollten ein neues Ende, in dem sich der Bär besinnt und den Hasen nicht frisst, ihm stattdessen aber eine Lektion erteilt. Doch Klassen ist sich sicher: „Manche Menschen können einfach nicht damit leben, dass auch Kinderbücher eine Lehre enthalten können, derer sich die handelnden Figuren bewusst sind“, sagte er gegenüber der Los Angeles Times. „Ich sage den Menschen, die dieses Ende nicht mögen aber, dass es einen Grund dafür gibt: Der Bär mag am Ende denken, dass es vielleicht nicht die beste Idee war, den Hasen zu fressen – so wie wir es auch denken.“ So lernt der Bär eine Lektion, die er nicht vergessen wird, denn er kann nicht ungeschehen machen, was er dem Hasen angetan hat. Jon Klassen nimmt seine jungen Leser ernst. Er sagt: „Kinder erkennen eine gute Geschichte unabhängig von der Moral, die sie vermittelt.“ Und das lieben seine jungen Leser an seinen Kinderbüchern. Doch nicht nur die sind begeistert. Die Presse feierte Jon Klassens „Wo ist mein Hut?“ als „brillantes Bilderbuch“ (FAZ) und als „wunderbares Buch im wahrsten Sinne des Wortes ‚wunderbar‘“ (New York Times). „Es ist ein wunderbar und staunenswert, dass dieses Buch Kinder zum Lachen und Erwachsene zum Kichern bringt.“, begründet die New York Times ihr Urteil und erklärt damit zugleich, warum Jon Klassen 2013 der Deutsche Jugendliteraturpreis zugesprochen wurde. Der Preis wird von einer Jury vergeben, die sich aus jungen Lesern und Experten aus dem Buchmarkt zusammensetzt. In der Erklärung der Jury heißt es: „Wie auf der Spielleiste eines Handpuppentheaters agieren auf den Buchseiten maximal zwei Figuren. Und die Betrachter überblicken das Geschehen bisweilen besser als die Hauptfigur dies offenbar tut. Schließlich erweist sich der Bär als weitaus weniger harmlos, als es zunächst schien – so wie der traditionelle Jahrmarktskasperl hat er durchaus auch eine abgründige Seite.“ An diesen Erfolg anknüpfend veröffentlichte Jon Klassen ein Jahr später ein Nachfolgebuch: „Das ist nicht mein Hut“. Wieder erzählt er eine Geschichte mit einer moralisch schwierigen Position, wieder wird ein Hut gestohlen. Dass man aber dennoch nicht denkt, Jon Klassen hätte gedankenlos die Idee seines alten Buches übernommen, um seinen Gewinn zu steigern, liegt daran, dass er wieder viel Mühe und Gedanken in die Umsetzung investiert hat. Worte werden innerhalb von Sekunden von raffinierten Bildern Lügen gestraft. Das macht die jungen Leser glücklich und unterhält auch die Eltern bestens. Kein Wunder also, dass „Das ist nicht mein Hut“ mit der bedeutendsten Auszeichnung für Bilderbücher in den USA, der Caldecott Medal 2013, ausgezeichnet worden ist. Jon Klassen hat sich spätestens jetzt als feste Größe in der Riege der internationalen Bilderbuch-Szene etabliert. Hoffentlich wird man noch viel von ihm sehen und lesen.
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