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Herfried Münkler

2014, anlässlich des 100. Jahrestags des Ersten Weltkriegs, ist Herfried Münkler (Jahrgang 1951) überall ein begehrter Gast, wenn es darum geht, die Ursachen und Folgen der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ zu schildern und zu diskutieren. Der Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt auf Politischer Theorie und Ideengeschichte ist einer der führenden deutschen Experten zum Thema und hat das Buch „Der große Krieg“ geschrieben, das mit seinen 924 Seiten als Standardwerk zum Ersten Weltkrieg gilt. Damit ersetzt der Politologe die letzten Studien deutscher Autoren, die 1968 von Peter Graf von Kielmansegg und Hans Herzfeld veröffentlicht wurden, und bringt die Literatur auf den neusten Stand der Forschung. In neun Kapiteln spannt Münkler den Bogen vom Scheitern des Schlieffen-Plans 1914 bis zum Waffenstillstand 1918. Der Erfolg seines Buches, das sich über Monate hinweg in den Bestsellerlisten behauptete, liegt vor allem darin, dass Münkler immer wieder das Gedankenexperiment wagte. Eine von vielen Fragen, die er dabei untersuchte, war, wie die deutsche Geschichte verlaufen wäre, wenn es den Krieg nicht gegeben hätte. An anderer Stelle versuchte Münkler, sich in das Geschehen an der Front hineinzuversetzen. Schon allein darin wählt der Politologe einen ganz anderen Ansatz als der australische Historiker Christopher Clark, der etwa zur gleichen Zeit seinen Bestseller „Die Schlafwandler“ herausbrachte. Während Clark das Verhalten der westlichen Demokratien bei Kriegsausbruch analysiert und damit ein neues Licht auf die Schuldfrage wirft, stellt Herfried Münkler erneut die Rolle des Deutschen Reiches in den Mittelpunkt. Dabei erinnert Münkler daran, dass man zwischen dem unterscheiden muss, was wir heute wissen, und den Einschätzungen der damaligen Akteure mit ihrem begrenzten Wissen. Als Politikwissenschaftler und Ideenforscher hat Münkler die Freiheit, sich in Situationen hineinzudenken und sie aus der Perspektive der Handelnden zu betrachten. Er ist – anders als ein Historiker – nicht zu einer rein objektiven Berichterstattung verpflichtet. Das sorgt dafür, dass sein Buch sehr spannend zu lesen ist und immer wieder für Aha-Momente sorgt. Etwa, wenn er sich mit dem Scheitern des Schlieffen-Plans auseinandersetzt oder aufzeigt, dass die Deutschen im Grunde keine Kriegsziele hatten und sich nach innen zersplitterten. Die kluge Studie, die Herfried Münkler vorgelegt hat, widmet sich allen Ebenen der Kriegführung wie Politik, Strategie und Koalitionskriegführung, Waffentechnik und Rüstungswirtschaft, Operationsplanung und Logistik und lässt auch die Taktik nicht außer Acht. Für Münkler gibt es zwischen all diesen Ebenen Wechselwirkungen, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn man Wesen und Dynamik dieses Krieges verstehen will. Immer wieder lässt Herfried Münkler auch Zeitzeugen zu Wort kommen, etwa dann, wenn er das Kriegsgeschehen beschreibt. Das hilft, neben der distanzierten analytischen Betrachtung nicht aus den Augen zu verlieren, dass es sich dabei um menschliche Schicksale handelte. So erschließt sich dem Leser die ganze Realität des Krieges. Abgerundet wird das Standardwerk zum Ersten Weltkrieg dadurch, dass Münkler Brücken in die heutige Zeit schlägt und unter anderem zeigt, dass die zwischenstaatlichen Konflikte auf dem Balkan bis heute nicht ausgeräumt sind. Auch die globale Perspektive fehlt bei Herfried Münkler nicht. So sieht er – wie auch Joschka Fischer – heute China in der Position des wilhelminischen Deutschland im Übergang zum 20. Jahrhundert. Eine chinesisch-amerikanische Konfrontation sei denkbar und würde „ähnlichen Mustern [folgen] wie [die] deutsch-britische Gegensatz am Anfang des 20. Jahrhunderts.“ Man kann das Buch „Der große Krieg: Die Welt 1914 – 1918“ von Herfried Münkler also all jenen wärmstens ans Herz legen, die sich nicht allein durch die fast unüberschaubar gewordene Literatur zum Ersten Weltkrieg wühlen, sondern einen kompakten umfassenden Überblick erhalten wollen. Das angeschlossene Literaturverzeichnis mit 800 Titeln erlaubt es dann, sich im Anschluss tiefer in die Lektüre zu vergraben und das Gelesene bei Bedarf zu vertiefen. Eine „überzeugende Gesamtdarstellung des Großen Krieges“ (FAZ).

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