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Nujeen Mustafa

Nujeen Mustafa hat ihr Lächeln behalten © Chris FloydDer BBC-Reporter Fergal Keane staunte nicht schlecht, als er Ende 2015 in Serbien unter den syrischen Flüchtlingen ein Mädchen, gerade 16 Jahre alt, im Rollstuhl erblickte – eine unwiderstehlich sympathische Frohnatur, die weit überdurchschnittlich gut Englisch sprach und ihm beinahe im Plauderton nach einer tief traumatischen Zeit von ihrer Heimat und ihrer Reise berichtete, davon, dass sie Astronautin werden wollte, und natürlich von ihrer Lieblingsserie „Zeit der Sehnsucht“ („Days of our Lives“, die seit 1965 in den USA durchgängig laufende TV-Seifenoper), aus der sie Englisch gelernt hatte.

Das Treffen machte Eindruck, insbesondere in den USA. Der Komiker und Moderator John Oliver zeigte einen Auszug des Interviews in seiner Sendung The Last Week Tonight und richtete einen scharfen Apell an das amerikanische Volk: „Wie ist es möglich, dass Sie dieses Mädchen nicht in Ihrem Land wollen?“. Und für Nujeen ließ Oliver eine ganz besondere Szene aus „Zeit der Sehnsucht“ einspielen, mit den Originalschauspielern, welche in ihren Fernsehrollen über Nujeens Problematik sprachen. Nujeen, die kurze Zeit später endlich in Deutschland ankam, war über diese Szene natürlich begeistert… und vielleicht ein bisschen empört, ruinierte sie doch die Kontinuität ihrer Lieblingsserie.

Nujeen ist tetraspastisch – ihre Beine und Hände gehorchen ihr nicht wie Anderen. Im syrischen Aleppo konnte sie deswegen nicht zur Schule gehen, und mit der Zeit begann sie sogar die Ausflüge mit ihrem Rollstuhl auf der von Schlaglöchern übersäten Straße vor ihrem Haus zu hassen. Ihr Tor zur Welt waren der Balkon im fünften Stock, der Fernseher und Bücher wie "Vom Winde verweht" und "Die Liebe in den Zeiten der Cholera". Der arabische Frühling entfachte praktisch vor der Haustür der in der arabischen Welt ohnehin bereits isolierten kurdischen Familie einen Krieg zwischen den Truppen Assads und einer später unüberschaubaren Anzahl von regierungsfeindlichen Gruppierungen. Erst 2012 flieht die Familie nach Manbidsch, als der Kanonendonner und die Tiefflieger schon zum Alltag geworden sind. Doch auch dorthin folgt ihnen der Krieg unerbittlich, zumal sie zunehmend gruselig schwarz gekleideten Männern mit langen Bärten begegnen, welche die unfassbarsten Grausamkeiten zur neuen Normalität erheben: Der IS hat in Windeseile Einzug gehalten. Nujeens Familie ist muslimisch, aber das hatte für sie nun wirklich mit dem Glauben nichts mehr zu tun. 2014, auf der Flucht in die Türkei zu ihrem Bruder tragen Nujeens Schwester und ihre Schwägerin zum ersten Mal eine Burka. Erst 2015 beginnt jedoch Nujeens wahre Odyssee im Rollstuhl durch Europa, die sie über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich bis schließlich nach Deutschland und in ein völlig neues Leben führen wird.

Die schwer zu verdauende Geschichte ihres Lebens – bis jetzt! – hat sie gemeinsam mit Christina Lamb (der Co-Autorin von „Ich bin Malala“) niedergeschrieben. „Nujeen – Flucht in die Freiheit“ ist seit Oktober 2016 bei HarperCollins erhältlich.

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