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George Packer

Journalist und Bestseller-Autor George Packer (Jahrgang 1960) sagt, er liebe die USA sehr, er sei aber immer zorniger darüber geworden, was er sah, als er sich auf die Suche nach dem amerikanischen Traum machte. Der Journalist, der für den „New Yorker“ vor allem über die US-amerikanische Außenpolitik schreibt, wollte für sein Buch „Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika“ ergründen, was aus der großen amerikanischen Idee eines Franklin D. Roosevelts geworden ist. Roosevelt hatte damals umfangreiche Wirtschafts- und Sozialreformen umgesetzt, um ein solidarisches Gesellschaftssystem zu schaffen, in dem es möglich wäre, vom „Tellerwäscher zum Millionär“ aufzusteigen, wenn man nur hart genug arbeite. Das heißt also unabhängig von den finanziellen Voraussetzungen und dem familiären Background.

Davon hat George Packer bei seinen Recherchen heute praktisch nichts mehr gefunden. Kein Wunder, dass er zornig ist. „Amerika hat den Wert der einfachen Menschen vergessen“, sagte er gegenüber der Zeitung „Die Welt“. „Wir sind verliebt in Promis, in die Reichen und Schönen, Jay-Z und die Titanen der Wallstreet. Ja, auch sie gehören zu Amerika, aber wir vernachlässigen die Institutionen, die für die einfachen Leute da sind.“ George Packer ist überzeugt davon, dass „die da oben“, wie er sie nennt, „jeden Sinn für Verantwortung verloren“ haben. Daraus entstünde eine Gesellschaft in der sich jeder selbst am nächsten sei. Dabei ist Packer kein Träumer. Er weiß, dass Gier, Lug und Betrug menschliche Konstanten sind, doch er fordert Institutionen und soziale Normen, wie jene aus der Roosevelt-Ära, die Gier und Betrug einschränkten. Die „Abwicklung“, wie Packer das „Zerfasern der Republik“ nennt, begann dann aus seiner Sicht in den 80er Jahren mit Ronald Regan. Ihm verdanke Amerika die Philosophie „Macht was ihr wollt und achtet nicht auf den sozialen Abfall.“

Von Barack Obama habe George Packer sich dann eine Wende erhofft. Von ihm habe er erwartet, ein „Präsident der Aktion“ und nicht der Reaktion zu sein, wie er der „Welt“ erklärte, doch stattdessen habe Obama die vier Worte „Don’t do stupid stuff“ zum Inbegriff seiner Politik erhoben. Mit der Folge, dass er lieber gar nichts tut, als einen Fehler zu begehen. Das sei aber nicht allein sein Fehler, sondern liege daran, dass auch der gesamte Machtapparat des Präsidenten kaputt sei. Wie sich das auswirkt, können Leser in aller Welt nun in Packers Buch „Die Abwicklung“ nachlesen, das 2013 mit dem National Book Award ausgezeichnet worden ist. In Amerika kannte man George Packer schon länger für seine Essays und Artikel im Boston Review, in The Nation, World Affairs, Harper’s und natürlich in The New York Times. Seine Kolumnen in der Zeitschrift „Mother Jones“, dem erfolgreichsten überregionalen linksliberalen Magazin der USA, trugen ebenfalls zu seinem Bekanntheitsgrad bei.

2003 sorgte sein Buch „The Assassins‘ Gate: America in Iraq“ für Aufsehen. George Packer galt als Befürworter der Invasion im Irak und analysierte in seinem Buch die Ereignisse, die 2003 schließlich dazu führten, dass die USA im Irak einmarschierten. Auch heute noch würde sich Packer von Barack Obama Aktionen im Irak wünschen – wenn vielleicht auch anderer Art: „Schauen Sie sich an, was im Irak passiert. Die Stimmung in Amerika ist: Was sollen wir tun? Am besten gar nichts. Jeder wirft dem anderen vor, die Lage verschuldet zu haben. So etwas tut man, wenn man sich hilflos fühlt. Und so müsste es nicht sein. Wir könnten etwas erreichen mit einer Diplomatie, die den Iran, Saudi-Arabien und die Türkei mit einbezieht“, sagte er im Interview mit der „Welt“. Als nächstes wird übrigens, so Packer, mit Sicherheit Hilary Clinton das Präsidentenamt übernehmen.

Größte Beachtung erhielt George Packer jedoch erst für sein Buch „Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika“. Gleich einem großen Jahrhundertroman, der den Geist dieser Zeit – auch die Amerikaner nutzen das deutsche Wort „Zeitgeist“ – einfängt, schildert das preisgekrönte Sachbuch in vielen Porträts die Auswirkungen, die die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen Amerikas auf die Menschen haben. 14 Porträts und biografische Skizzen aus allen Schichten der amerikanischen Gesellschaft verdeutlichen eindringlich, was dort geschieht. Die Lebensgeschichten sprechen für sich, ohne dass George Packer die Krise ausdrücklich bilanzieren oder analysieren muss.

Seine exemplarischen Protagonisten – die Industriearbeiterin aus Youngstown, Ohio, die zur Sozialarbeiterin wird, der Biodiesel-Unternehmer aus North Carolina, der zornige Politik-Berater Jeff Connaughton und der Kriegsveteran Matt – veranschaulichen auch so sehr gut, dass in Amerika etwas im Argen liegt. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die eingestreuten Biografien prominenter Amerikaner – etwa Hip-Hop-Superstar Jay-Z, Talkshow-Queen Oprah Winfrey, Politiker Newt Gingrich (dem George Packer vorwirft, die Vorstellung von Politik als Totalem Krieg etabliert zu haben), Schriftsteller Raymond Carver und Silicon-Valley-Investor Peter Thiel – die in Packers Augen „als maßlose Bösewichte den Verfall des Landes vorangetrieben haben“ (Süddeutsche Zeitung). In jedem Fall lohnt es, George Packers „Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika“ zu lesen. „Großer amerikanischer Roman“ (SPIEGEL) hin oder her – ein Buch wie dieses hat es noch nicht gegeben und die Wahrheiten darin lassen sich nicht leugnen.

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