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Helmut Schmidt

Helmut Schmidt (1918 - 2015) war von 1974 bis 1982 der 5. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Schmidt diente während des Zweiten Weltkriegs zunächst an der Ost- und später auch an der Westfront und war anschließend Referent für Ausbildungsvorschriften der leichten Flakartillerie im Reichsluftfahrtministerium in Berlin. Mehrmals äußerte sich Helmut Schmidt in dieser Zeit kritisch über das NS-Regime, konnte jedoch nie dafür belangt werden. 1945 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft, aus der er nach 4 Monaten entlassen wurde. Nach Kriegsende studierte Helmut Schmidt Volkswirtschaftslehre und schloss das Studium als Diplom-Volkswirt ab. Schon 1945 hatte er sich der SPD angeschlossen. Hier engagierte er sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und übernahm 1947 dessen Vorsitz. Zwischen 1968 und 1984 hatte Helmut Schmidt die Position des stellvertretenden Parteivorsitzenden inne, war selbst aber nie Parteivorsitzender der SPD. 1953 wurde er erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt. 1965, bei seiner zweiten Mitgliedschaft, wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion ernannt und war während der ersten Großen Koalition Vorsitzender der SPD-Fraktion.  

Nachdem er vier Jahre lang Innensenator in Hamburg gewesen war (1961 – 1965), wurde er Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag, Verteidigungs- (1969 – 1972) und später Bundeswirtschafts- und Finanzminister (1972 – 1974). Am 16. Mai 1974 wählte der Deutsche Bundestag Helmut Schmidt mit 267 Stimmen zum 5. Kanzler der Bundesrepublik. In seine Amtszeit als Bundeskanzler fielen die Ölkrisen der 70er Jahre und der „Deutsche Herbst“, mit dem Terrorismus der RAF. Nach 1982 und seinem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt war Helmut Schmidt Mitherausgeber des Magazins „Die Zeit“. Seit 1961 veröffentlichte Schmidt außerdem in regelmäßigen Abständen Bücher und Texte zur Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands. Er vermag es, wie kein anderer, kompetent und umfassend über das 20. Jahrhundert Auskunft zu geben. So auch in seinem viel gelobten Buch: „Unser Jahrhundert: Ein Gespräch“ (mit Fritz Stern). Bis zu ihrem Tod 2010 war Helmut Schmidt mit Hannelore Glaser (genannt „Loki“) verheiratet. Im Dezember 2011 machte Helmut Schmidt mit seiner Parteitagsrede auf sich aufmerksam. „Die Ikone der SPD“ (Süddeutsche Zeitung) warnte darin davor, Europa auseinander brechen zu lassen. Die Rede „Deutschland in Europa“ sorgte über die Parteigrenzen hinaus für Furore und setzte tagesaktuell zur Euro-Krise ein wichtiges Zeichen für ein vereintes Europa. Nur wenige Monate zuvor war sein Buch „Zug um Zug“ (2011) mit Peer Steinbrück erschienen, in dem die beiden Staatsmänner über die großen politischen Themen der Gegenwart sprechen.

Giovanni di Lorenzo interviewte Helmut Schmidt viele Male für das ZEITmagazin. Diese Gespräche wurden 2009 in dem Buch „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ zusammengefasst. 2012 erschien der zweite Band mit Interviews, die in den Jahren zuvor in loser Folge veröffentlicht worden waren. Er trägt den Titel „Verstehen Sie das, Herr Schmidt?“ und verdichtet die Gespräche zu einem feinen Portrait unserer Zeit. Ebenfalls aus einem solchen Gespräch zweier weiser Männer entstanden ist das Buch „Ein letzter Besuch“. Dafür unterhielt sich Helmut Schmidt mit dem knapp 90-jährigen Lee Kuan Yew, dem ersten Premierminister Singapurs und langjährigem Wegbegleiter Schmidts. Schon seit Jahren sah Schmidt in China die Wirtschaftsmacht des 21. Jahrhunderts – eine Vorhersage, die sich nun zu bewahrheiten scheint. Mit Yew spricht er aber nicht nur über die neue Macht Chinas, über die Angst der Deutschen vor dem Einfluss aus dem Reich der aufgehenden Sonne und darüber, was wir von dort lernen können, sondern auch über die gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen in den USA, über die europäische Kultur und Geschichte, die Entwicklungen in und die Zukunft der EU, über politische Führung und Führungspersönlichkeiten, über Terrorismus, Atomkraft, den Iran und letztendlich auch über Privates. In Anbetracht des hohen Alters der beiden Herren ist es auch so etwas wie ein „berührend sentimentaler Abschied alter Freunde voneinander“ geworden, wie die Wiener Zeitung bewegt schreibt.

2015 meldete sich Helmut Schmidt noch einmal mit einem Buch zurück, das den passenden Namen „Was ich noch sagen wollte“ trägt. Ein bisschen klingt das so, als könnte er sich einfach nicht zurückhalten. So lange Leben in ihm ist, wird Helmut Schmidt schreiben, denkt man sofort. Er hat noch längst nicht abgeschlossen mit dem Denken, nimmt seine Umwelt in äußerster Schärfe war und reflektiert, was um ihn herum geschieht. Das kann und sollte er nicht für sich behalten, wie dieses kraftvolle Vermächtnis beweist: Auf 230 Seiten zieht der Altkanzler eine überraschend persönliche – ja geradezu intime – Bilanz, erinnert sich an Wegbegleiter und Wegbereiter, an Menschen und Momente, die ihn prägten. Dabei hat er eine unnachahmliche Art zu erzählen, die den Leser fesselt und für eine hohe Relevanz sorgt, obgleich Schmidt nicht viel Neues erzählt. Wer sich bereits mit dem Leben und Wirken des früheren Kanzlers beschäftigt hat, wird kaum etwas erfahren, was er noch nicht wusste. Das Interessante ist jedoch die persönliche Perspektive, die den Leser unweigerlich bewegt.

Am 10. November 2015 starb Helmut Schmidt im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg Langenhorn, umgeben von seiner Lebensgefährtin Ruth Loah und seiner Tochter Susanne aus seiner Ehe mit Loki. Medien, Politiker und auch die Öffentlichkeit nahmen großen Anteil an seinem Tod. "Ein Leben für Deutschland" titelte die ZEIT, deren Mitherausgeber er einst war, in ihrem Nachruf. Sie schrieb: "Die Deutschen haben in den vergangenen hundert Jahren nur wenige große Staatsmänner hervorgebracht, auf die sie stolz sein können. Helmut Schmidt gehört zu diesen wenigen." Wie der SPIEGEL berichtete, erfuhren die SPD-Bundestagsabgeordneten während der laufenden Fraktionssitzung von Schmidts Tod "und gedachten seiner spontan mit einer Schweigeminute." Angela Merkel habe darüber hinaus die Verdienste des verstorbenen Altkanzlers in einer Sitzung der Unionsfraktion gewürdigt.

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