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Stefan Selke

Stefan Selke (Jahrgang 1967) interessiert sich als Soziologe vor allem für die Chancen und Risiken menschlicher – für ihn heißt das auch und vor allem menschenwürdiger – Existenz unter den Bedingungen des technologischen, medialen, kulturellen und gesellschaftlichen Wandels. Dabei kommt alles auf den Prüfstand, was das Leben des modernen Menschen prägt. Im Netz hat er sich vor allem als „Cyberspace“-Professor (socialnet.de) und Blogger („Stabile Seitenlage) zu Themen des gesellschaftlichen Wandels einen Namen gemacht. Zwei zentrale Elemente haben sich dabei für die Arbeit von Stefan Selke herausgebildet. Auf der einen Seite beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Armut und Armutsbekämpfung. Hier tat er sich insbesondere durch seine kritische Begleitung der sogenannten „Tafelbewegung“ hervor.

Gemeint sind gemeinnützige Hilfsorganisationen, die Lebensmittel, die nicht mehr benötigt werden und andernfalls in den Müll wandern würden, an Bedürftige verteilen oder zu geringen Preisen verkaufen. Zwischen 2006 und 2007 führte Stefan Selke, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Karlsruhe und an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, eine ethnographische Studie bei einer Tafel in Baden-Württemberg durch. Auf deren Grundlage veröffentlichte er die erste gesellschaftskritische Sozialreportage über die Tafelbewegung. Sie trägt den Titel „Fast ganz unten“ und steht unter der Fragestellung, ob die Tafeln „Teil einer Lösung oder vielmehr Teil des Problems“ sind. „Fast ganz unten“ meint dabei Menschen, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder durch einen Schicksalsschlag unversehens in eine Abwärtsspirale geraten sind, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Durch die Einführung der Hartz-Gesetzgebung ist die Armt auch für die Mittelschicht immer zum Greifen nah. Stefan Selke nennt das „Demokratisierung der Armut“. Wie diesen Menschen einerseits durch die Tafel geholfen wird und wie man sich bemüht, ihnen dabei ihre Würde zu lassen – und wie oft die Tafeln bzw. das System dahinter daran scheitern – davon handelt die Studie, die auch aus wissenschaftlichen Kreisen große Anerkennung fand.

Auf der anderen Seite hegt Selke ein besonderes Interesse für die Auswirkungen der technischen Revolution auf das Leben des Menschen und für den damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel. Das Lifelogging, also die digitale Selbstvermessung und die Abhängigkeit von digitalen Erinnerungssystemen, ist der zweite Arbeitsschwerpunkt von Stefan Selke. Auf seiner Website schreibt er erläuternd: „Unter Lifelogging wird hierbei der Versuch verstanden, das Leben eines Menschen in Echtzeit zu erfassen, indem alle Verhaltens- und Ereignisspuren multisensorisch aufgezeichnet, in einem digitalen Erinnerungsspeicher abgelegt und zum späteren Wiederaufruf vorrätig gehalten werden.“ Dafür hat Stefan Selke das Projekt „idetic“ ins Leben gerufen, in dem ein Android-basiertes Smartphone mit einer Software für Lifelogging zum Einsatz kommt. Indem Selke und sein Team (dem Ansatz des Technikphilosophen Bernhard Irrgang folgend) Menschen zum Umgang mit der Technik auffordern, lässt sich ihr Verhalten erforschen. Darüber hinaus analysiert Stefan Selke datenschutzrechtliche Probleme und untersucht psychologischen Folgen des Lifeloggings.

In seinem Buch „Lifelogging“ hat er viele interessante Aspekte dieser Forschungsarbeit zusammengetragen  und zeigt deutlich, wie die gefeierten digitalen Lifestyle-Produkte nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft verändern, sondern sich auch auf die elementarsten Aspekte des Menschseins auswirken. Indem der Nutzer sein Leben mittels Google Glasses aufzeichnet, seine zu sich genommenen und verbrauchten Kalorien misst, Schritte zählt und Schlafstunden protokolliert, nimmt er dem Leben das, was es eigentlich ausmacht, das Unberechenbare, Unkalkulierbare, Willkürliche, Unvorhersehbare. Wir zwingen uns in Normen und erlauben zugleich eine Überwachung von bislang unvorstellbaren Ausmaßen. Dafür und für andere Risiken des Lifeloggings sensibilisiert Stefan Selke in seinem äußerst lesenswerten Buch. Ein weiteres Buch des Autors, das sich sehr zu lesen lohnen, ist „Schamland: Die Armut mitten unter uns“.

 

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