Cornelia Stolze
Als Wissenschaftsjournalistin versteht es Cornelia Stolze (Jahrgang 1966) seit mehr als 15 Jahren als ihre Aufgabe, nicht nur verständlich, kompetent und unterhaltsam über neue Entwicklungen in der Forschung zu berichten, sondern diese auch kritisch zu hinterfragen. Die Diplom-Biologin beobachtet ganz genau, wer auf Kosten der Gesundheit seiner Patienten versucht, beste Geschäfte zu machen, und Millionen daran verdient, Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Ein Beispiel dafür ist das Thema Demenz. In ihrem Buch „Vergiss Alzheimer!“ erklärt Cornelia Stolze, warum Alzheimer in Wirklichkeit nur ein (falsches) Etikett für eine Vielzahl verschiedener Leiden ist. Denn hinter den Symptomen einer Demenz können zahlreiche unterschiedliche Ursachen stecken, darunter Schlaganfälle, Durchblutungsstörungen, Austrocknung, Alkoholismus, seelischer Stress – oder aber die Nebenwirkungen jenes Medikamentencocktails, den viele Hochbetagte heute schlucken. Pharmafirmen und Ärzte schüren so vielleicht am Ende Ängste vor einer Krankheit, die sie selbst – bewusst oder unbewusst - verursacht haben. Fest steht auf jeden Fall: Wenn die richtige Diagnose ausbleibt, erhalten die Betroffenen die falsche Therapie und leiden unnötig.
Dass ihr Buch so eine große mediale Aufmerksamkeit erfuhr, als „Vergiss Alzheimer! Die Wahrheit über eine Krankheit die keine ist“, 2011 erschien, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie groß die Angst in der Bevölkerung vor Alzheimer ist. Cornelia Stolze selbst stieß auf das Thema, als sie für einen Artikel zum Thema „Handel mit Gewebeproben von Patienten und Probanden” recherchierte, wie sie der polnischen Zeitung „Nowa Debata“ berichtete. Damals erfuhr sie von einem Forschungsskandal in den USA, in den auch ein deutscher Alzheimer-Forscher verwickelt war. Fest stand schon damals, dass man Alzheimer zu Lebzeiten des Patienten nicht wissenschaftlich diagnostizieren kann. Ein zuverlässiger Nachweis, hieß es, war nur möglich durch eine mikroskopische Untersuchung des Hirngewebes nach dem Tod des Patienten. Der deutsche Psychiatrieprofessor Harald Hampel behauptete jedoch, einen Früherkennungstest für Alzheimer entwickelt zu haben. Cornelia Stolze erkundigte sich daraufhin bei ihm, ob er seine Ergebnisse mit den postmortalen Untersuchungen der Patienten vergleiche, was dieser verneinte.
Durch diesen Widerspruch aufmerksam geworden, begann Cornelia Stolze zu den Hintergründen dieser Forschung zu recherchieren und stieß auf einen wahren Sumpf an Lügen und Halbwahrheiten, in den Forscher genauso verwickelt waren, wie Ärzte und Pharmazieunternehmen. In ihren Veröffentlichungen betont Cornelia Stolze immer wieder, dass bis heute niemand weiß, was die „Alzheimer-Krankheit” genau sein soll. Hierbei widersprächen sich die Experten immer wieder gegenseitig. Häufig würden die tatsächlichen Ursachen einer Demenz deshalb nicht richtig behandelt, weil alles in den Topf mit der Beschriftung „Alzheimer“ geworfen werden werde und der Patient nicht gründlich genug untersucht worden seien .Auf diesen Skandal macht Cornelia Stolze nicht nur in ihrem Buch „Vergiss Alzheimer!“, sondern auch in zahlreichen Artikeln, Interviews und Talkshows aufmerksam. Zugleich nimmt sie dem Leser die Angst vor dem großen Schatten Alzheimer. Denn: Demenz ist nicht gleich Demenz. Viele der Ursachen, die hinter Hirnleistungsstörungen wie Verwirrtheit oder Desorientierung stecken, lassen sich gut behandeln, beheben oder verhindern – vorausgesetzt, sie werden nicht als Alzheimer verkannt. Deshalb kann man das Buch von Cornelia Stolze jedem ans Herz legen: den Angehörigen von Alzheimer-Patienten genauso, wie Ärzten, Apothekern, Medizinstudenten und Forschern sowie Menschen, die sich selbst vor der Diagnose „Alzheimer“ fürchten.
Cornelia Stolze im Interview mit literaturtipps.de:
Literaturtipps.de: In Ihrem Buch „Vergiss Alzheimer“ sagen Sie, Alzheimer sei keine Krankheit. Wie kann das sein, wo laut des aktuellen Welt-Alzheimer-Reports 36 Millionen Menschen davon betroffen sein sollen und die Medizin doch schon seit Jahren Patienten gegen Alzheimer behandelt?
Cornelia Stolze: Natürlich gibt es Tausende von Menschen, die an Demenz leiden. Und das Leid der Betroffenen ist groß. Denn viele Demenzkranke sind nicht nur verwirrt, vergesslich oder desorientiert. Manche von ihnen erkennen selbst nächste Angehörige nicht mehr, werden aggressiv und unberechenbar. Der Knackpunkt aber ist doch: Was ist die Ursache? Fest steht nämlich: Demenz ist nicht gleich Demenz. Hinter den Symptomen können zahlreiche verschiedene Ursachen stecken. Viele davon lassen sich beheben oder verhindern – vorausgesetzt, die Betroffenen werden richtig untersucht und behandelt. Fatalerweise aber werden viele Demenzkranke heute wahllos zu Alzheimer-Kranken gestempelt und erhalten nutzlose und teure Medikamente, die nicht ihnen helfen, sondern deren Herstellern.
Literaturtipps.de: Wenn Alzheimer keine Krankheit ist, was ist es dann?
Cornelia Stolze: Das ist eine gute Frage. Tatsächlich wissen bis heute nicht einmal Spitzenexperten, was „Alzheimer“ ist. Diese vermeintliche Krankheit ist weder klar definiert noch nachweisbar. Meine Recherchen haben gezeigt: Nicht einmal eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod, die lange als einzig verlässlicher Nachweis galt, bringt Gewissheit. Denn seit Längerem weiß man, dass rund ein Drittel aller normal alternden Menschen, die bis zu ihrem Tod völlig klar im Kopf waren und nach ihrem Tod obduziert wurden, so viele Plaques im Gehirn hatten, dass der Befund eindeutig Alzheimer gelautet hätte. Das passt nicht zu der Theorie, die uns seit Jahren von Forschern und Lobby-Organisationen wie der Alzheimers’s Disease International (ADI) erzählt wird, die den Welt-Alzheimer-Report herausgibt. Was die wenigsten Menschen wissen: Die ADI ist ein hocheffektiver PR-Verband der Pharmaindustrie, dessen Mitglieder umso mehr profitieren, je mehr Menschen mit teuren Medikamenten behandelt werden.
Literaturtipps.de: Was kann man gegen diese Symptome tun? Muss man überhaupt etwas dagegen tun, wenn es sich zu großen Teilen um einen normalen Alterungsprozess handelt?
Cornelia Stolze: Wer sich vor Demenz schützen oder möglichst lange davon verschont bleiben will, sollte versuchen, die häufigsten Ursachen dafür weitgehend auszuschließen. In meinem Buch gehe ich darauf auch genauer ein. Wichtig ist in erster Linie ein gesunder Lebensstil. Denn dadurch sinkt zum Beispiel das Risiko für Infarkte im Gehirn, die häufig hinter einer Demenz stecken. In der Praxis heißt das unter anderem: nicht rauchen, sich regelmäßig bewegen, gesunde Ernährung und für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sorgen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind Medikamente: Etliche ältere Menschen nehmen einen regelrechten Cocktail von Pillen ein. Viele dieser Präparate können gerade bei älteren Menschen schon einzeln Demenzsymptome hervorrufen. Im Mix wirken sich die Mittel oft noch schlimmer aus.
Literaturtipps.de: Ist die allgemeine Angst vor Alzheimer – der Fotograf Gunter Sachs nahm sich im Mai 2011 das Leben, weil er glaubte, an Alzheimer erkrankt zu sein – unbegründet?
Cornelia Stolze: Ich kann diese Angst sehr gut verstehen. Niemand möchte seinen Verstand und damit die Kontrolle über sein eigenes Leben verlieren. Tragisch an dem Fall Gunter Sachs ist aus meiner Sicht, dass er sich das Leben genommen hat, weil er glaubte, an Alzheimer erkrankt zu sein. Dabei gab und gibt es dafür keinerlei Beleg. Das ist so ähnlich, wie wenn jemand Suizid begehen würde, weil er sich einbildet, Krebs zu haben oder zu bekommen – und zwar ohne, dass irgendein Arzt das diagnostiziert hat.
Literaturtipps.de: Was raten Sie Menschen, die die Diagnose Alzheimer für sich oder für Angehörige bekommen haben?
Cornelia Stolze: Die Diagnose Alzheimer ist aus meiner Sicht eine Verlegenheitsdiagnose. Tatsächlich handelt es sich dabei immer um eine Ausschluss-Diagnose, wie Mediziner das nennen. Das heißt, sie erfolgt nach dem Prinzip: Wenn der Arzt nichts findet, was in seinen Augen erklärt, warum der Betroffene verwirrt, vergesslich oder desorientiert ist – dann muss es wohl Alzheimer sein. Ich persönlich würde bei einer solchen Diagnose in meinem Umfeld den Arzt wechseln. Denn für mich ist das ein Hinweis darauf, dass der Betroffene entweder nicht gründlich genug untersucht wurde. Oder aber – das ist aus meiner Sicht zum Beispiel an den so genannten Gedächtnissprechstunden von Universitätskliniken mitunter der Fall – dass die Mediziner dort gerade Probanden für Medikamenten-Studien brauchen und sich die Diagnose entsprechend zurechtbasteln. Beides ist aus meiner Sicht nicht im Sinne der Betroffenen.
Literaturtipps.de: Was empört Sie an der Propaganda rund um das Thema Alzheimer am meisten?
Cornelia Stolze: Mich stört, dass führende Mediziner und Forscher aus der Not vieler Menschen Kapital schlagen. Um Forschungsmittel zu mobilisieren und Karriere zu machen, nutzen sie das Vertrauen der Bürger aus und setzen seit Jahren falsche Versprechen von Früherkennung und Heilung in die Welt. Aus meiner Sicht ist das nicht nur unethisch, sondern kriminell.
Literaturtipps.de: Was wünschen Sie sich als Resultat der Diskussion, die rund um Ihr Buch entstanden ist?
Cornelia Stolze: Ich würde mir wünschen, dass Ärzte und Forscher, die Patienten und die Öffentlichkeit in die Irre führen, zur Verantwortung gezogen und sanktioniert werden. Bisher gibt es keine Gesetze, mit denen man Lügen in diesem Bereich juristisch ahnden könnte. Viele Mediziner sind eng mit der Pharmaindustrie verbunden und erhalten von den Herstellern der Mittel, für die sie als vermeintlich unabhängige Experten Werbung machen, Geld. Ich wäre dafür, eine Verpflichtung einzuführen, dass diese Verbindungen auf einer öffentlich zugänglichen Internet-Seite offengelegt werden müssen – mitsamt den Informationen über die Art der Verbindung und den Beträgen, die dabei im Einzelnen fließen.
Wir danken Cornelia Stolze dafür, dass Sie uns für ein Interview zur Verfügung stand und wünschen ihr für ihre weitere Arbeit alles Gute.
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