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Buddhismus: Vom Menschsein erlöst werden

 

Meditation im BuddhismusDie 2.600 Jahre alte Tradition des Buddhismus gilt allgemein als friedfertig und undogmatisch, stressreduzierend und persönlichkeits-stabilisierend. Für „Die Zeit“ Grund genug, sie als „ideale Religion postmoderner Individualisten“ zu bezeichnen. Deshalb zieht der Buddhismus auch eine Klientel an, die sonst in den deutschen Kirchen eher selten anzutreffen ist: junge, erfolgreiche Akademiker, die nach einer spirituellen Orientierung suchen und bereit sind, dafür neue, ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Der Buddhismus ist eine Religion zum Ausprobieren. Man tritt keiner Kirche bei, unterschreibt keinen Vertrag, zahlt keine Steuern. Dem „dem allgegenwärtigen Trend zur Unverbindlichkeit“ (Zeit) kommt das durchaus entgegen.

 

Verständnis für das Wesen des Buddhismus


Der Buddhismus kennt keine festen, starren Dogmen. Vielmehr geht es darum, zur richtigen Zeit den situativ richtigen Schlüssel zu finden, der einen Fortschritt ermöglicht. Alles befindet sich im Fluss. Auch deshalb entspricht der Buddhismus der Mentalität unserer postmodernen Gesellschaft, in der ebenfalls alles im ständigen Wandel begriffen ist und sich nichts mehr so einfach festnageln lässt. Darin und in vielen anderen Dingen unterscheidet sich der Buddhismus deutlich von den anderen Weltreligionen. Grund genug, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Der wohl offensichtlichste Unterschied zu den anderen Weltreligionen – Christentum, Islam, Hinduismus und Judentum – ist die Tatsache, dass es im Buddhismus keinen Gott gibt. Anders als zum Beispiel das Christentum oder der Islam ist er keine Offenbarungs-, sondern eine Erfahrungsreligion. Während sich in den Offenbahrungsreligionen in der Regel ein Gott einem sterblichen Messias zeigt und seine große Wahrheit oder seinen göttlichen Willen verkündet, erschließt sich die Wahrheit in der Erfahrungsreligion nur durch die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Nicht Gott näher sein, sondern seinem Menschsein vollkommen auf den Grund gehen, das ist der Inhalt des Buddhismus, der in einer Zeit entstand, in der es in Asien gravierende Umwälzungen gab und die alten Nomaden-Götter zunehmend obsolet wurden. Durch den Wegfall dieser festen Konstanten machte sich eine allgemeine Unsicherheit breit, die zahlreichen mythischen und philosophischen Welterklärungen eine Plattform bot. Hauslose Wanderer verkündeten an jeder Straßenecke ihr System der Erlösung.

 

Die drei Arten des Leidens im Buddhismus


Buddhismus Zeremonie mit Buddha-StatueEiner von ihnen war Prinz Siddharta Gautama, der Begründer des Buddhismus, der im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Indien lebte. Der Prinz war in einem wunderschönen Schloss aufgewachsen, umgeben von Schätzen und Reichtümern, und ahnte nichts vom Leben außerhalb des Palastes. Doch tief in seinem Inneren spürte Siddharta, das in seinem Leben etwas fehlte, so wie heute instinktiv viele Menschen spüren, dass ihnen etwas fehlt. So etwa Richard Gere, der bekannteste Buddhist Amerikas, der trotz seines großen Erfolgs unter Depressionen litt. Mit 29 Jahren verließ Siddharta deshalb sein prunkvolles Heim und reiste durch das Land, wo ihm Krankheit, Alter und Tod begegneten und er das allgegenwärtige Leid erkannte. Von diesem Leid galt es die Menschen zu erlösen. Siddharta fragte sich also als erstes, woher das Leid kam. Er erkannte drei Arten des Leidens, wie sie noch heute im Buddhismus bekannt sind: das Leid des Leidens, das Leid der Veränderung und das Leid der Bedingtheit. Alle drei Arten werden durch Wünsche und Begierden und die ständige Beschäftigung mit dem Ego erzeugt.

 

Das Leid des Leidens ist das Leiden, wie wir es alle kennen. Es tritt auf, wenn nichts mehr funktioniert, wenn wir krank sind, Freunde oder Familienangehörige sterben, wenn wir unangenehme Situationen erfahren oder Schmerzen empfinden. Der Buddhismus kennt hier das Leid der Geburt, des Alterns, der Krankheit und des Sterbens, das Leid, von Geliebten getrennt zu sein, Ungeliebtem zu begegnen, Gewünschtes nicht zu erhalten und Erlangtes beschützen zu müssen. Leiden also, das durch das Anhaften an der Welt und den Dingen, die in ihr sind, hervorgerufen wird. Das Leid der Veränderung ist uns ebenfalls bekannt und hängt mit dem Leid des Leidens zusammen: Nichts kann dauerhaft bleiben, Glück ist vergänglich und letztendlich zerrinnt uns alles zwischen den Fingern. Im Buddhismus ist man überzeugt, dass man von veränderlichen Dingen kein dauerhaftes Glück erwarten kann. Deshalb sollte man ihnen gar nicht erst anhängen. Wahres Glück gibt es nur im Nirvana, dem Zustand der Erlösung, Erleuchtung und Auslöschung. Daraus resultiert das Leid der Bedingtheit, denn selbst die angenehmsten Zustände, die wir kennen, sind im Vergleich zu unserem wahren Wesen, der Buddha-Natur, leidvoll. Im Kreislauf der bedingten - zum Beispiel menschlichen - Existenz ist unser Geist dem wahren Wesen gegenüber fast immer verschleiert. Also leidet der Mensch, bis er in der Erleuchtung, der Buddha-Natur, eine Freude erfährt, die alle bedingten Glückszustände weit übertrifft.

 

Buddhismus Buddahkopf im BaumDas Leiden ist in allen Religionen (auch im Christentum mit Sünde und Schuld) allgegenwärtig. Woran liegt das? Vielleicht kann man es sich folgendermaßen vorstellen: In seinem Urzustand war der Mensch ein fester Bestandteil seiner Umwelt, eins mit der Natur und allem Leben, nicht mehr und nicht weniger als die anderen Bestandteile, Pflanzen und Tiere. Er war mit allem verknüpft und Teil eines großen Ganzen. Man denke hier vielleicht an den großen Baum des Lebens der Navi im Film „Avatar“. Die Menschen waren im wahrsten Sinne des Wortes mit sich und ihrer Umwelt im Reinen. Die Bibel kennt diesen Urzustand als Paradies, den Garten Eden, vor dem Sündenfall. Der Sündenfall war dann die Bewusstwerdung des Menschen. Das Bewusstsein für sich und das daraus entstehende Ego brachte das Leiden über die Menschen, von dem auch der Buddhismus ausgeht. Der Mensch wurde zum Mittelpunkt seines eigenen Lebens, entwickelte Wünsche und Begierden, die Ursachen des Leidens. Das oberste Ziel des Buddhismus ist es also, das Ego aufzuheben und den Menschen in den Urzustand zurückzuführen, ihn vom Menschsein zu erlösen und ihn wieder Eins mit dem Universum werden zu lassen.

 

Der achtfache Pfad zur Erlösung im Buddhismus


Dafür hielt Siddharta der Legende zufolge die vier edlen Wahrheiten fest. Die ersten beiden kennen wir schon: „Glück ist vergänglich, und das Leben ist Leiden“ und „Das Leiden entsteht, weil die Menschen mehr haben wollen, als sie besitzen.“ Daraus resultieren die dritte Wahrheit, „Das Leiden hört auf, wenn die Menschen diese Gier überwinden“ und schließlich auch die vierte Wahrheit: „Es gibt einen Weg zum Glück. Das ist der achtfache Pfad.“ Dieser achtfache Pfad ist es, den man im Buddhismus praktiziert und an dessen Ende die Erlösung steht. Seine acht Glieder sind: Erkenntnis -> Entschluss -> rechte Rede -> rechtes Handeln -> rechter Lebenserwerb -> rechtes Streben und Üben -> Achtsamkeit und Bewusstheit -> Versenkung und damit Erlösung, Übergang ins Nirvana.

 

Das Nirvana ist als Verlöschen zu verstehen. Der Mensch bricht aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten aus, in dem er sich von allem löst, was ihn in dieser Welt hält. Alles Handeln und Denken bewirkt Karma und führt somit zu weiteren Verstrickungen in der Welt. Das gilt es durch Bescheidenheit (Nicht-Anhaften), Güte und Einsicht im achtfachen Pfad der Erleuchtung zu überwinden. Im Buddhismus, vor allem im Zen-Buddhismus, ist das Mittel der Wahl dafür die Meditation. Sie ist nicht dafür erdacht, der gestressten Psyche kurzfristig schnelle Heilung zu verschaffen, sondern für die schonungslose Innenschau, in der man die „Leerheit“ aller Dinge erkennt, und dann loslassen kann. Mit Gelassenheit und Angstfreiheit gehen wir dann aus diesem schmerzhaften Prozess hervor und der Nicht-Existenz – und damit dem höchsten und einzigen ewigwährenden Glück – entgegen.

 

Das scheint uns nicht sehr lebensnah und wir mögen versucht sein, nur das aus dem Buddhismus herauszupicken, was sich leicht in unser Leben integrieren lässt, doch wer sich wirklich auf die Religion einlassen möchte, der muss auch alte Denkmuster überwinden. Etwa das westliche Belohnungsdenken: Tue dies und jenes und werde dafür am Ende zum Beispiel mit dem Himmel belohnt. Das erfordert viel Kraft und Willensstärke, soll sich aber für die Gelassenheit am Ende lohnen.

 

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