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China und das Kreuz mit der Literatur

 

Chinas neue Macht verdeutlicht durch Blick auf Skyline von ShanghaiChina ist ein Land, an dem Bücherfreunde einfach nicht vorbei kommen. Das belegen schon die Zahlen. Mit mehr als 300.000 neuen Titeln pro Jahr ist China der größte Buch-Produzent der Welt. Das ist drei Mal so viel wie in Deutschland. Nun hat China auf der anderen Seite aber auch 1,3 Milliarden Einwohner und Deutschland im Vergleich nur etwa 80 Millionen. Nach Großbritannien und den USA ist China der drittgrößte Importeur von Büchern nach Deutschland. Diese Entwicklung ist stimmig mit den Entwicklungen in anderen Branchen: China ist eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, deren Einfluss nicht mehr länger unterschätzt werden darf. Lange Zeit als Schwellenland vernachlässigt, ist China heute das wichtigste Exportland der Welt. Insgesamt 11 Prozent der weltweiten Exporte verfallen auf China. Damit verwies es Deutschland 2009 erstmals auf den zweiten Platz. 2010 verdrängten die USA die Bundesrepublik dann auf Platz drei. Wer in die Zukunft blickt, kommt an China also einfach nicht vorbei. Das gilt für den Literaturbetrieb genauso, wie für alle anderen Branchen auch.

 

Verstärkte Aufmerksamkeit seitens der Buchliebhaber erhielt die Volksrepublik China erstmals, als der bekannte chinesische Schriftsteller Mo Yan im Jahr 2012 den Literaturnobelpreis erhielt. Ausgezeichnet wurde er unter anderem für seine Romane „Das rote Kornfeld“, „Die Knoblauchrevolte“ und „Die Schnapsstadt“, die alle drei autobiografisch geprägt sind und wegen ihrer scharfen Kritik an der zeitgenössischen chinesischen Gesellschaft als subversiv angesehen wurden. Auch sein Roman „Der Überdruss“ verdiente internationale Beachtung. Zhang Beizheng, die für China Book Trading GmbH (CBT) jährlich an der Frankfurter Buchmesse teilnimmt, freute sich 2013: „Früher interessierten sich die meisten Kunden sich nicht so viel für chinesische Literatur. Aber nachdem Mo Yan im vergangenen Jahr zum Nobelpreisträger für Literatur gekrönt worden ist, habe ich auf diesjähriger Buchmesse mehr Anfragen zu Chinas Literatur. Sie kommen einfach direkt zur chinesischen Literatur." (Quelle: China Heute) Inzwischen finden sich immer mehr chinesische Autoren in den deutschen Buchläden.

 

Politik und Literatur in China: ein angespanntes Verhältnis


Dennoch schwingt bei Literatur aus China immer ein leicht unangenehmer Beigeschmack mit, der gar nichts mit der künstlerischen oder sprachlichen Qualität der Bücher zu tun hat. Im Gegenteil: Die deutschen Leser schätzen die Autoren aus China wegen ihrer Sprachgewalt, ihrer poetischen Bilder und der kunstvollen Formulierungen. Nein, es hat etwas mit einem Thema zu tun, das man nicht unbeachtet lassen kann, wenn man über Literatur aus China spricht: Zensur. Mehr als 40 Schriftsteller saßen 2012 in China im Gefängnis. Einer von ihnen ist Liu Xiaobo, der 2010 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist. Seit mehr als vier Jahren sitzt er in einer Zelle. Seine Frau steht unter Hausarrest. Sein Urteil lautet: „Untergrabung der Staatsgewalt“. Denn in einem unterscheidet sich China – ohnehin ein sehr exotisches Land – noch stärker von allen anderen Exportnationen: in seinen politischen Strukturen.

 

Straße modernen ChinaDie Volksrepublik China ist ein autoritäres Regime unter der alleinigen Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), ein sozialistisches, autoritäres Einparteiensystem, dem der Staatspräsident Xi Jinping vorsteht. Er ist sowohl Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und Staatspräsident der Volksrepublik China als auch Vorsitzender der Zentralen Militärkommission und hat damit die drei höchsten Ämter im Staat inne. Ihm untersteht ein enger Kreis von Politbüro- und Militärführern. Immer wieder gerät China wegen seiner Diktatur „mit eisener Faust“ in die Kritik von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Der Literaturbetrieb ist ein gutes Beispiel, um die gegenwärtige Situation in China zu veranschaulichen. Während die Meinungsfreiheit in den Demokratien einen sehr hohen Stellenwert hat, müssen sich Schriftsteller in China nach Aussage von Patrick Poon, dem Vorsitzenden des PEN-Clubs in Hongkong, selbst zensieren, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen, ihre Werke zu veröffentlichen. Wer es dennoch wagt, zum Beispiel über die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 zu schreiben oder in seinen Büchern gar Demokratie und Freiheit zu fordern, der stehe leicht mit einem Bein im Gefängnis, so Poon gegenüber dem Magazin „Focus“.

 

Ein Literaturnobelpreis für China: Mo Yan und die Zensur


Unter diesem Schatten stand dann auch die Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis, den Mo Yan 2012 entgegennahm. Im Rahmen der Preisverleihung sorgte Mo Yan mit seinen Äußerungen zur Zensur in China für heftige Kritik. So nannte er sie auf einer Pressekonferenz in Stockholm ein „notwendiges Übel“ und verglich sie mit den Sicherheitskontrollen auf Flughäfen. Der chinesische Künstler Ai Weiwei empörte sich daraufhin: „Er sollte sich schämen. […] Er verteidigt dieses bösartige System.“ Und damit steht Ai Weiwei bei Weitem nicht alleine da: Der im Exil lebende Autor Yu Jie beschimpfte Mo Yan als „Lakaien“ des chinesischen Systems, und auch Patrick Poon sagte: „Dass ein Nobelpreisträger die Zensur unterstützt, kann auf keinen Fall akzeptiert werden. […] Wir alle sollten uns fragen, ob ein solcher Schriftsteller den höchsten Literaturpreis der Welt verdient hat.“ Herta Müller, die im Jahr zuvor mit dem Preis ausgezeichnet worden war, warf Mo Yan „unkritische Anpassung an die Machthaber in Peking“ vor. Dieser verteidigte sich jedoch und nannte die Ehrung einen „Sieg der Literatur über die Politik.“

 

Schriftzeichen aus ChinaFür Mo Yan ist das leicht gesagt. Die Tatsache, dass seine Bücher auch in China veröffentlicht wurden, zeigt, dass es ihm gelungen ist, sich geschickt durch die „Minenfelder der Zensur“ (Focus) zu bewegen. Das macht ihn nicht zu einem schlechteren Schriftsteller, doch es ist verständlich, dass sich die Schriftsteller Chinas gewünscht hätten, der Preisträger hätte diesen Moment der weltweiten Aufmerksamkeit genutzt, um auf ihre Situation und die Situation des Landes aufmerksam zu machen. Diese Chance hat Mo Yan für China und seine Schriftsteller leider vertan. Und so bleibt es an Liu Xiaobo, Yang Tianshui, Qi Chonghuai und anderen in China inhaftierten Schriftstellern, diesen Kampf weiter zu fechten. Patrick Poon sieht die Hoffnung für China vor allem im Internet. Er glaubt, die Meinungsfreiheit sei ein Prozess, der sich nicht aufhalten lasse – vor allem „angesichts der Tatsache, dass viele Menschen, besonders jüngere, im Internet ihre Meinung über Politik und soziale Probleme äußern.“ Er rät den Machthabern, den Menschen und Schriftstellern mehr Meinungsfreiheit einzuräumen. Das sei schließlich in ihrem Interesse: „So könnten die Klagen der Menschen durch Diskussionen kanalisiert werden, was der Stabilität dient. Darum sorgt sich die Regierung doch so sehr.“

 

Asyl für die kritischen Schriftsteller aus China


Bis dahin aber bietet unter anderem Deutschland den regimekritischen Schriftstellern aus China Asyl. So ermöglichte zum Beispiel ein Abkommen dem chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu 2011 die Ausreise nach Deutschland. In den vorangegangenen Jahren war er immer wieder mit einem Ausreiseverbot belegt worden. Um ausreisen zu dürfen, habe er sich zum Schein auf ein Publikumsverbot eingelassen, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Ich habe vor meiner Ausreise den Behörden zusagen müssen, mein Buch 'Für ein Lied und hundert Lieder' nicht im Ausland zu publizieren“, erzählte er nach seiner Ankunft. Er sei aber nicht mehr bereit, sich „in China wie eine Geisel halten zu lassen.“ Das Verbot empfinde er als „unfassbare Beleidigung“, sei für ihn doch „die Freiheit, zu veröffentlichen, und die Freiheit, zu schreiben“ das wichtigste. Das Buch erschien am 21. Juli 2011 in Deutschland. 2012 arbeitete Liao Yiwu mit einem einjährigen Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin. Grund für sein Publikationsverbot war eines seiner Gedichte, „Massaker“, das er im „ehrenvollen Gedenken an den 200. Jahrestag der Französischen Revolution“, an „den 70. Jahrestag der 4.Mai-Bewegung“ und „an die Opfer der Tragödie vom 4. Juni 1989“ veröffentlicht hatte. Darin schrieb Liao Yiwu: „Die Freiheit zu würgen ist geil/ Macht siegt immer, eine Generation übernimmt sie von der ­anderen/ Auch die Freiheit wird wieder auferstehen, mit jeder Generation auferstehen.“  Den Traum von der Heimkehr nach China hat der Schriftsteller, der einst mit „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ bekannt geworden ist, noch nicht aufgegeben. „Ich hoffe, dass ich, wenn dereinst die Regierung wechselt, sicher nach China zurückkehren kann“, sagte er der Presse.

 

Bis es soweit ist, haben wir hier die besten Bücher aus und über China für Sie zusammengestellt:


Darüber hinaus finden Sie bei uns Bücher über und Reiseführer für China:

 

Wir empfehlen außerdem Kochbücher für die chinesische und asiatische Küche:

 

Ein letzter Tipp sei allen, die sich für China interessieren, besonders ans Herz gelegt, geschrieben von einem, der sich mit der aktuellen Situation in China sehr gut auskennt: dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. 2013 veröffentlichte er das Buch „Ein letzter Besuch“, in dem er die aktuelle Situation des Landes – wirtschaftlicher Aufstieg, nationalistische Tendenzen, das rasante Bevölkerungswachstum, die Unterschiede zwischen Arm und Reich, Wanderarbeiter, Umweltprobleme, soziale Konflikte und das ideologische Vakuum – beleuchtet. Darin rät er dem Westen, aus Chinas Aufstieg nicht den Schluss zu ziehen, dem Land Vorschriften machen zu wollen oder Angst vor China verbreiten zu wollen. Denn „wie auch immer wir uns verhalten, eines müssen wir wissen: China wird beim Wiederaufstieg zur Weltmacht seinen eigenen Weg gehen.“

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