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Der Erste Weltkrieg und seine ewige Mahnung

 

Denkmal für die Soldaten Erster Weltkrieg100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 ist der „Große Krieg“ in den Medien überall präsent. Auf den Bestseller-Listen finden sich dieser Tage zahlreiche Bücher, die an das erinnern, was der Historiker George F. Kennan als „Urkatastrophe“ bezeichnete. Florian Illies führt uns in seinem Buch „1913“ an den Vorabend des Ersten Weltkriegs zurück und beschwört ein facettenreiches Bild jenes Jahres herauf, das die Welt für immer veränderte. Schillernd und vielseitig beschreibt er eine Zeit, in der alles möglich zu sein schien – und die vor allem den Weg in eine der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte ebnete. 1913 hätte das jedoch noch niemand für möglich gehalten. Wie es schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam, analysiert Christopher Clark in seinem Bestseller „Die Schlafwandler“. Darin veröffentlicht der renommierte Historiker erstmals neuste Erkenntnisse über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und teilt dabei Deutschland eine ganz neue Rolle zu.

 

Clark führt uns das Europa am Vorabend des Ersten Weltkriegs als eine komplexe Welt vor, in der Misstrauen, Fehleinschätzungen, Überheblichkeit, Expansionspläne und nationalistische Bestrebungen ein Glimmen erzeugten, das jeden Moment in den Weltenbrand umschlagen konnte. Dem „Großen Krieg“ selbst widmet sich dann Herfried Münkler in seinem gleichnamigen Buch, das es ebenfalls schnell auf die Bestseller-Listen schaffte. Er führt uns an jenen schicksalsträchtigen 1. August 1914, als der Erste Weltkrieg mit euphorischem Jubel begrüßt wurde und den Tod von 17 Millionen Menschen beschloss. 100 Jahre nach Kriegsbeginn hat der Erste Weltkrieg für uns als Leser also noch immer nichts an Schrecken verloren. Wir, die wir wissen, wohin die Euphorie all diese Menschen führte, stehen noch immer vor den Bildern, Geschichten und Grabmälern und fragen uns fassungslos, wie all das geschehen konnte – und versuchen noch immer zu begreifen, wie der Erste Weltkrieg die Welt verändert hat.

 

Wie der Erste Weltkrieg die Welt veränderte



Der Erste Weltkrieg ist als eine dramatische Zäsur in der Menschheitsgeschichte zu betrachten. Nur wenige historische Ereignisse hatten eine solche umwälzende Kraft. Selbst der Zweite Weltkrieg, der ohne Frage noch blutiger war als der Erste, ist letztlich als Folge und Konsequenz dieses ersten mörderischen Krieges zu betrachten. Die Krisen, die er auslöste, ebneten den Weg für den Aufstieg Hitlers und schufen jenes Pulverfass, das im Jahr 1939 zum zweiten Mal explodierte. Der Erste Weltkrieg war in jeder Hinsicht ein neues Phänomen. Er war der erste Krieg, der die neuen technischen Möglichkeiten nutzte und damit offenbarte, welche Zerstörungspotentiale der industriellen Moderne innewohnten. In seinem Kanonenfeuer verlor das Menschenleben in einem bislang unbekannten Ausmaß an Bedeutung. Bewaffnet mit den neusten Technologien wurden die Menschen zu bloßem Kanonenfutter. Ein Toter, zehn Tote, hundert Tote – was machte das schon in Anbetracht all des Materials, das hier in die Schlacht geführt wurde? Kopf an Kopf standen sich die Mächte an der Westfront im Stellungskrieg gegenüber und fochten endlose Abnutzungsschlachten, die wenig Landgewinn einbrachten, dafür aber zahllose Menschenleben forderten. Wer in dieser festgefahrenen Situation, die Erich Maria Remarque in seinem Klassiker der Weltliteratur, „Im Westen nichts Neues“, so eindrucksvoll schildert, etwas bewirken wollte, der musste schon mehr als nur ein paar Hundert Mann töten. Der musste ganze Regimenter auslöschen.

 

Es wundert deshalb nicht, dass der Erste Weltkrieg ein neues Phänomen zu Tage brachte, das wir aus modernen Kriegen nur zu gut kennen, das aber damals vollkommen neu war: Die Männer hatten nicht nur die Wahl zwischen Sterben und Heimkehr. Viele von ihnen kehrten nie wieder heim, obwohl sie physisch den Weg nach Hause schafften. Sie blieben im Krieg mit all seinen Traumata und konnten einfach nicht vergessen, was sie gesehen hatten. Dieser Krieg kannte keine Menschlichkeit, er unterschied nicht zwischen Militärs und Zivilisten, er kannte keine Gnade. Was die Männer an der Front erlebten, ließ ihnen auch Jahre und Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg keine Ruhe, es verfolgte sie in ihre Träume, ließ sie zittern und machte es ihnen unmöglich, in ihr altes Leben zurückzukehren. Die Grausamkeiten, die die Menschen einander zufügten, ließen sich nicht mit dem Lebensbild der Soldaten vereinbaren, überschritten jedes Maß des gerade noch Erträglichen. Das „Kriegszittern“ war in der Folge bei Soldaten aller beteiligten Nationen zu beobachten und wurde auf den ständigen Einschlag der Granaten zurückgeführt. Die permanente Angst, das Gefühl ständiger Bedrohung, das jedes bislang bekannte Ausmaß überstieg, die Erlebnisse katastrophalen Ausmaßes - all das hinterließ so tiefe Wunden in den Seelen der Soldaten, dass sie nie wieder verheilten. Das zeigt uns, wie gravierend der Einschnitt war, den der Erste Weltkrieg hinterließ. Zugleich lässt es uns aber nur im Ansatz erahnen, was damals geschah und was es für die Menschen bedeutete dabei gewesen zu sein.

 

100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg


Gedenkstätte für die Opfer des Ersten Weltkriegs100 Jahre später sehen wir heute die Fotos von der Front, von Zerstörung, Leid und Tod und können die Ausmaße des Ersten Weltkriegs noch immer nicht erfassen. Doch die Vergegenwärtigung dessen ist notwendig, damit sich die Ereignisse von damals nicht wiederholen. Der Schrecken der Vergangenheit reicht oftmals nicht weit genug, um zu verhindern, dass die gleichen Fehler wieder begangen werden. 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sind kaum noch Menschen am Leben, die sich bewusst an den Krieg und seine Leiden erinnern können. Über drei Generationen hinweg neigen die Menschen dazu, zu vergessen und unvorsichtig zu werden. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer gemahnt deshalb in der Süddeutschen Zeitung anlässlich des bevorstehenden 100. Jahrestags, sich die Lehren aus dem Ersten Weltkrieg immer wieder zu vergegenwärtigen.

 

Fischer schreibt dort: „Dieser imperiale Kollaps hat Bruchzonen zurückgelassen, die bis in die Gegenwart hinein hohe Risiken für den regionalen oder gar Weltfrieden beinhalten. Besonders gilt das für den Balkan, den Nahen und Mittleren Osten“. Dabei verweist er vor allem auf die Entwicklungen in Syrien, im Irak und Iran, in Saudi-Arabien und Israel. „Die größte Besorgnis allerdings muss die Erinnerung an den Sommer 1914 in Ostasien auslösen. Denn dort ballen sich - fast wie aus dem Geschichtsbuch abgeschrieben - alle Ingredienzien der damaligen Katastrophe: Die Region ist hochgerüstetet, was heute heißt: Sie verfügt über Atomwaffen. Es gibt in China eine aufstrebende Weltmacht, es gibt Großmächterivalitäten, offene Territorial- und Grenzfragen, den Konflikt auf der koreanischen Halbinsel, offene historische Rechnungen, Prestigedanken und kaum kooperative oder gar integrative Konfliktlösungsmechanismen, sondern Machtdenken pur und überall Misstrauen.“ Mit der aktuellen Situation in China setzt sich auch Helmut Schmidt in seinem Buch „Ein letzter Besuch“ auseinander, das in diesem Zusammenhang sehr interessant zu lesen ist.

 

Wir können nun nur hoffen, dass die intensive Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsbeginns dazu führt, dass der Schrecken des Krieges nicht verblasst und sich das Grauen nicht wiederholt. Zum Thema Erster Weltkrieg empfehlen wir deshalb folgende Bücher:

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