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Die Klassik: Literatur der Stille und Harmonie

 

Aristoteles vermittelt die Grundlagen für die Klassik in der LiteraturDie Klassik in der Literatur lässt zunächst an die von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägte Literaturepoche der Weimarer Klassik denken. Doch der Grundgedanke der Klassik ist sehr viel umfassender. Was für die Klassik in der Literatur gilt, gilt zum Beispiel auch für die Klassik in der Musik und in der Malerei. Das Konzept der Klassik bringt eine Sehnsucht zum Ausdruck, die die Menschen zu allen Zeiten schon kannten: die Sehnsucht nach Schönheit, Harmonie und Ordnung. Die Sehnsucht nach Stille und Ruhe. Zum Ausdruck gebracht in Werken von so reiner Schönheit – Schönheit als Selbstzweck und vollkommen objektiv – gänzlich unbeeinflusst von der Fehlbarkeit des Menschen. Dieser Gedanke war schon in der griechischen und römischen Antike weit verbreitet und manifestierte sich spätestens in den Lehren des Aristoteles. Die griechische Antike gilt denn auch als Vorbild für die Weimarer Klassik, die man zeitlich zwischen 1786 und 1805 einordnet. Eingebettet zwischen den Literaturepochen des Sturm und Drangs und der Romantik war die Klassik eine Phase, die den Künstler beinahe aus dem Schaffensprozess ausschloss und ihn zum bloßen Werkzeug der Ästhetik machte.

 

Lesen Sie in diesen Büchern mehr über die Epoche der Klassik:

 

Der Grundgedanke der Klassik in der Literatur



Goethe zufolge, der diese Epoche der Klassik maßgeblich mitbestimmte, ist die Literatur, wie alles andere auch, den ewigen Gesetzen der Natur unterworfen. Das heißt, nicht der Schriftsteller entscheidet, was schön und was gute Literatur ist. So etwas wie Zufall oder Subjektivität gibt es für die Klassik nicht. Stattdessen gibt es allgemeingültige Regeln dafür, wie gute Literatur entsteht, und der Schriftsteller hat sich zur „Nachahmung des Schönen“ daran zu halten. In der Klassik erfüllt die Literatur einen Selbstzweck, ist nur um seiner selbst willen, will keine Lehre vermitteln oder Affekte erzeugen, will einfach nur schön sein, makellos, harmonisch, übermenschlich. Für den griechischen Philosophen Aristoteles lag die Aufgabe der Kunst deshalb in der Idealisierung der Wirklichkeit. Es sei demnach nicht die Aufgabe des Schriftstellers den individuellen Gegenstand abzubilden und dabei die Tendenzen der Natur zu berücksichtigen, die jenen Baum größer machten als den daneben oder jenen Stein runder als seinen Nachbarn. Stattdessen ging es um die Idealvorstellung des Baumes oder Steines, um die Durchdringung seines Wesens und seiner Gesetzmäßigkeit. Demnach ist jeder einzelne Baum, Stein oder Mensch eine Abweichung von der Norm. Die Aufgabe des Künstlers in der Klassik oder Malerei ist es nun, dieses Ideal abzubilden.

 

Dafür dienen dem Schriftsteller oder Maler allgemeingültige Regeln als Hilfsmittel. Aristoteles nennt hier Proportionen, Ordnung und Bestimmtheit. Eine Kunst, die sich an diese Regeln hält, ruft im Betrachter oder Leser Gefühle edler Ergötzung und Erholung hervor. Auge und Geist kommen im Schönen und Vollkommenen zur Ruhe, vergessen das Chaos, die Unvollkommenheit des Alltags und erfahren eine Katharsis (Reinigung). Wundersamer Weise ist diese Vorstellung von Schönheit und Vollkommenheit allgemeingültig und absolut zeitlos. Was die Griechen und Römer in der Antike als schön empfanden, empfanden dann auch die Vertreter der Klassik im 18. Jahrhundert als schön – und das empfinden wir heute noch so, wenn wir uns auf die Werke der Weimarer Klassik einlassen. Die großen Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und Joseph Haydn rühren uns noch heute in ihrer Pracht und Herrlichkeit und die Dramen, Gedichte und Lustspiele von Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller faszinieren uns noch heute mit ihrem Streben nach Harmonie.

 

Wie die Klassik in der Literatur die Seele heilt


Ausspannen mit Werken der Klassik in der LiteraturDie Harmonie ist es auch, die die Werke der Klassik in der Literatur noch heute wie ein Balsam wirken lässt. Die Epoche der Weimarer Klassik war eine Zeit der gewaltsamen Umstürze: In der Literatur tobte der Sturm und Drang, der mit allen Regeln brechen und das individuelle Genie über alles stellen wollte, und in Frankreich waren mit der Französischen Revolution alle Grundfesten eingerissen worden. Es schien in dieser Welt nichts mehr von Bestand zu geben, nichts woran man sich festhalten konnte. Doch die Schriftsteller der Klassik glaubten daran, dass die antiken Philosophen den Schlüssel zu einer harmonischen Gesellschaft gefunden hatten. Soeben erst hatte die Aufklärung dem Menschen den Weg „aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant) gewiesen und ihm gezeigt, wozu er im Stande ist, wenn er „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen“ bedient. Die Schriftsteller und Künstler der Klassik sahen es nun als ihre Pflicht, die Menschen durch Kunst und Literatur zu Humanität zu erziehen und sie so reif für gesellschaftliche Veränderungen zu machen. Am Ende stünde die gebildete „schöne Seele“, ein Mensch, dessen Handeln, Pflicht und Neigung in Übereinstimmung sind, der ruhig und abgeklärt ist und vollkommen in sich selbst ruht, ein Mensch, der nach sittlich-moralischen Maßstäben handelt und als Mitglied der Gesellschaft nach Harmonie für alle Menschen strebt.

 

Davon ist in unserer Zeit der Individualisierung kaum noch etwas übrig geblieben. Jeder ist sich selbst der Nächste. Kunst erfüllt immer einen Zweck: Sie soll ihrem Schöpfer dazu dienen, sich zu profilieren, seine subjektive Weltsicht hinaus tragen, provozieren, Geld einbringen, für Ärger und Diskussion sorgen. Man denke nur an die zahllosen Offenbarungsbücher, Autobiografien und Selbstreflektionen, die jedes Jahr auf den Buchmarkt strömen. Das Ich steht immer im Vordergrund: Ich bin anders als ihr; das ist meine Sicht und ich trage sie in die Welt. Dadurch entsteht ein unheimlicher Lärm, ein unendliches Grundrauschen, in dem einem die Werke der Klassik in der Literatur vorkommen wie stille Oasen der Ruhe. Ihre zeitlose Schönheit, ihre Ruhe, ihre Ordnung, ihre innere Harmonie wirken wie Balsam in einer Gesellschaft, in der jeder versucht, lauter zu schreien als sein Nachbar. Viele Menschen, die zu Klassikern der Weltliteratur greifen, suchen nach genau dieser Ruhe, wollen etwas Wahres hören, etwas das Bestand hat über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte – und nicht mit der nächsten Werbepause vergessen ist. Wir besinnen uns heute so auf sie, wie sich die Vertreter der Weimarer Klassik auf die Antike besannen – weil wir uns nach der Reinigung, der edlen Ergötzung und Erholung sehnen, die sie versprechen, und die heute so selten geworden ist.

 

Für eine kleine Auszeit vom Rauschen und Lärm der Gegenwart, haben wir hier die schönsten Werke aus der Epoche der Klassik in der Literatur für Sie zusammengetragen:


 

Lesen Sie mehr über eine sehr charakteristische Romangattung in der Klassik: den Bildungsroman.

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